Fragen zu § 45b Betrieb von Windenergieanlagen an Land

Die am 29.07.2022 in Kraft getretene Änderung des Bundesnaturschutzgesetz, speziell das „Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz -BNatSchG) mit dem § 45b Betrieb von Windenergieanlagen an Land“ sorgt für erhebliche Unsicherheiten und Verwirrungen bei Naturschützenden und Naturschutzbehörden.

Das Gesetzt im Wortlaut:

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz -BNatSchG) § 45b Betrieb von Windenergieanlagen an Land
(7) Nisthilfen für kollisionsgefährdete Vogel- und Fledermausarten dürfen in einem Umkreis von 1 500 Metern um errichtete Windenergieanlagen sowie innerhalb von Gebieten, die in einem Raumordnungsplan oder in einem Flächennutzungsplan für die Windenergienutzung ausgewiesen sind, nicht angebracht werden.

Quelle: https://dejure.org/gesetze/BNatSchG/45b.html

Als kollisionsgefährdet, windnergiesensibel bzw. besonders schlaggefährdet gelten gemeinhin die Fledermausarten Abendsegler, Rauhautfledermaus, Zwergfledermaus, Kleinabendsegler, Breitflügelfledermaus, Mückenfledermaus, Zweifarbfledermaus, Nordfledermaus

Da bei uns im Landesfachausschuss Fledermausschutz NRW viele Fragen aufgelaufen sind haben wir bei Josef Tumbrinck, dem Sonderbeauftragten für das Nationale Artenhilfsprogramm im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) nachgefragt.

Was ist der Sinn dieser gesetzlichen Regelung?

Antwort: Es soll durch die Regelung vermieden werden, dass sich bestehende Konflikte verschärfen oder neue Problematiken geschaffen werden. Es geht darum, die geschützten Arten vor etwaigen Kollisionen zu schützen. Der räumliche Geltungsbereich von 1500 Meter orientiert sich an den für die kollisionsgefährdeten Arten anzulegenden zentralen Prüfradien, in denen regelmäßig mit artenschutzrechtlichen Verstößen zu rechnen ist.

Für welche Fledermausarten ist das anbringen von Nisthilfen verboten?

Das Gesetz gilt für die kollisionsgefährdeten Fledermausarten Abendsegler, Rauhautfledermaus, Zwergfledermaus, Kleinabendsegler, Breitflügelfledermaus, Mückenfledermaus, Zweifarbfledermaus, Nordfledermaus

Was ist mit „Nisthilfen“ aus Sicht der Fledermäuse gemeint?

Antwort: Die Bedeutung des im Gesetz verwendeten Begriffs der Nisthilfen erschließt sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zweck der Norm. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 20/2354, S.26) wird zu § 45b Abs. 7 BNatSchG ausgeführt, dass Brut- und Nistplätze von kollisionsgefährdeten Vogel- und Fledermausarten in der Nähe von WEA regelmäßig artenschutzrechtliche Konflikte hervorrufen. Demzufolge handelt es sich bei Nisthilfen um Brut- und Nistplätze, mithin um Fortpflanzungs- und Aufzuchtplätze (bzw. Wochenstuben).

Müssen vorhandene Fledermauskästen wieder abgebaut werden, denn dies würde ja die Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten geschützter Arten bedeuten?

Antwort: Die gesetzliche Regelung gilt grundsätzlich ab Inkrafttreten des Gesetzes. Eine Rückwirkung der Regelung ist nicht vorgesehen. Für diese Auslegung spricht auch der Wortlaut der Norm. Demnach ist es verboten, Nisthilfen „anzubringen“. Ein generelles Verbot von Nisthilfen in WEA-Nähe sieht § 45b Abs. 7 BNatSchG nicht vor.

Fledermausschutz in Schutzgebieten
Wie verhält es sich mit Maßnahmen zum Fledermausschutz (Anbringen von Kästen) in Schutzgebieten (FFH-Gebiete, NSG, EU-Vogelschutzgebiete, …).  Sind diese nun durch das neue Gesetz nicht mehr umsetzbar, zumal Windenergieanlagen in NRW gerade mal einen Abstand von 300 Meter zu Schutzgebieten einhalten müssen?

Antwort: Die Regelung zur Einhaltung eines Abstands von 1.500 m in § 45b Abs. 7 BNatSchG differenziert nicht nach Schutzgebietstypen, so dass der Abstand von 1.500 Meter unabhängig des Gebietstypus einzuhalten ist.

Optimierung und Neuschaffung von Winterquartieren
Fällt unter die gesetzliche Regelung auch das Optimieren von Bunkern, Stollen, Höhlen und anderer vergleichbarer Winterquartiere untertage und oberirdisch? Unter Optimieren verstehen wir neben Sicherung der Einflüge auch das Anbringen von Kästen, Hohlblocksteinen und ähnlichen Strukturen in den Quartieren. Wie verhält es sich mit dem Öffnen bislang verschlossener Winterquartiere untertage und oberirdisch oder deren Neuschaffung?

Antwort: Vom Gesetz abzugrenzen sind Winterquartiere, die in zeitlicher Hinsicht regelmäßig nur dann genutzt werden, wenn keine Nutzung von Brut- und Nistplätzen erfolgt. Diese fallen nach der Gesetzesbegründung nicht unter § 45b Abs. 7 BNatSchG. Dies steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Regelung. Das Verbot von Nisthilfen soll grundsätzlich der Verringerung des Kollisionsrisikos von Vögeln und Fledermäusen an den Anlagen dienen. Das Kollisionsrisiko von Fledermäusen ist jedoch aufgrund ihres Lebenszyklus‘ in der Überwinterungszeit grundsätzlich gering.

Fledermaus-Winterquartiere, deren Optimierung und Neuschaffung sind also nicht durch das Gesetz verboten, egal wie groß oder klein der Abstand zur Windenergieanlagen ist.

Eingriffsplanung
Betrifft dieses Gesetz auch (CEF) Maßnahmen zur Kompensation (Ausgleich und Ersatz) bei vorhabenbedingtem Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten (Abbruch Gebäudequartiere, Fällung von Baumhöhlen, etc.). Das Gesetzt macht es durch die Abstandsregelung nahezu unmöglich einen Ersatz in räumlicher Nähe zu schaffen. Wie sollen zukünftig verlorene Quartiere für Abendsegler, Rauhautfledermaus, Zwergfledermaus, Kleinabendsegler, Breitflügelfledermaus, Mückenfledermaus, Zweifarbfledermaus, Nordfledermaus ersetzt  werden?

Antwort: § 45 b Absatz 7 BNatschG ist nach seinem Sinn und Zweck so zu verstehen, dass er das Anbringen von
Nisthilfen im Rahmen einer behördlichen Genehmigung bzw. als Voraussetzung für eine
Anlagengenehmigung (beispielsweise als CEF Maßnahme) nicht ausschließt (in diesem Sinne auch
Frank/Rolshoven ZNER 2022, 535(545). Es bleibt den Gehmigungsbehörden überlassen hier im Einzelfall zu entscheiden.

 

Wochenstube Braunes Langohr (Plecotus auritus) in einem Fledermauskasten

Wochenstube Braunes Langohr (Plecotus auritus) in einem Fledermauskasten

 
Weiterführende Literatur:
Trautner, J. Zulässigkeit von Nisthilfen in bestimmten Räumen – Neue Regelung durch 45b BNatSchG (Betrieb von Windenergieanlagen an Land) kann andere Bau- und Sanierungsvorhaben sowie Fachplanungen erschwerenNuR 44, 770–771 (2022).  https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-022-4113-6

Tobias Dürr: Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Fledermäuse
https://lfu.brandenburg.de/lfu/de/aufgaben/natur/artenschutz/vogelschutzwarte/arbeitsschwerpunkt-entwicklung-und-umsetzung-von-schutzstrategien/auswirkungen-von-windenergieanlagen-auf-voegel-und-fledermaeuse/

Christian Giese
für den LFA Fledermausschutz NRW