Fledermausschutz an Windenergieanlagen – Aktueller Stand und Herausforderungen

Der aktuell geforderte beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien stellt Politik und Naturschutz vor schwerwiegende Entscheidungen. Biodiversitätsverlust und Erderwärmung sind zwei gleichrangige Krisen von großer ökologischer und gesellschaftlicher Bedeutung. Fledermäuse stehen als bedrohte und streng geschützte Artengruppe im Zentrum dieser Krisen. Dieser Vortrag fasst den aktuellen Wissensstand zum Konflikt zwischen Windenergieausbau und Fledermausschutz unter Würdigung der geänderten Gesetzeslage (Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes, Erneuerbare-Energie-Gesetz, Windenergie-an-Land-Gesetz) zusammen. Eine Einschränkung des Fledermausschutzes auf nationaler Ebene im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergie würde den Schutzstatus der windkraftsensiblen Fledermausarten und somit deren Bestände gefährden. Der Individuenschutz an WEA ist weiterhin zwingend notwendig, um kollisionsgefährdete Arten wirksam zu schützen.

Fazit für die Praxis

  • Die Gleichrangigkeit von Biodiversitäts- und Klimakrise erfordert die Umsetzung einer ökologisch-nachhaltigen Energiewende.
  • Der Individuenschutz von Fledermäusen an Windenergieanlagen (WEA) ist zwingend notwendig und die positive Bestandsentwicklung von windkraftsensiblen Arten ist zu beachten.
  • WEA, die ohne aktive Betriebssteuerung zum Fledermausschutz arbeiten, können zu hohen Schlagopferzahlen führen. Die Implementierung entsprechender Betriebssteuerungen ist sowohl für neue als auch für alte WEA zwingend erforderlich.
  • Waldstandorte für WEA sollten gemieden werden, sofern es alternative Standorte im Offenland gibt. Zudem müssen Lebensraumverluste kompensiert werden, die durch den Bau und Betrieb von WEA in Wäldern aus einem Meidungsverhalten von Fledermäusen entstehen.
  • Ein Mindestabstand von 500m zwischen WEA und Quartierstandorten darf nicht unterschritten werden.
  • Die kumulative Schlagopferzahl von neuen WEA muss im Kontext zu Bestandsanlagen derselben Region betrachtet und entsprechend strikte Betriebssteuerungen umgesetzt werden. Vor allem bei der Betroffenheit von Arten mit negativer Bestandsentwicklung ist dies unerlässlich.
  • Die Zumutbarkeitsschwelle aus der BNatschG Novellierung muss hinsichtlich ihrer Passfähigkeit mit dem Unionsrecht juristisch überprüft werden.
  • Die zeitnahe Wirksamkeit von Artenhilfsprogrammen als Ausgleich für den aktuellen Schlag und Vergrämung von Fledermäusen an WEA wird hinterfragt.

Bezugsquelle: Naturschutz und Landschaftsplanung, Ausgabe 55 (03) | 2023, Seiten 30-35 https://www.nul-online.de/

Markus Melber, Uwe Hermanns & Christian C. Voigt et al., Fledermausschutz an Windenergieanlagen
DOI: 10.1399/NuL.2023.03.03

Erstautorenschaft: Markus Melber, Uwe Hermanns und Christian C. Voigt. Weitere Autoren (alphabetisch):
Lothar Bach, Hartmut Geiger, Christian Giese, Leo Grosche, Ingrid Kaipf, Cosima Lindemann, Falko Meyer, Volker Runkel und Antje Seebens-Hoyer

Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen

Gespräche zwischen NABU und LEE ergebnislos eingestellt

Düsseldorf – Klima- und Biodiversitätskrise bedrohen gleichermaßen die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen. Um dem verfassungsrechtlich begründeten Klimaschutzgebot gerecht zu werden, muss die Energieversorgung flächendeckend auf Erneuerbaren Energien beruhen, indessen darf der hierzu beitragende Ausbau der Windenergie nicht dazu führen, die Biodiversitätskrise zu verschärfen und das Artensterben zu beschleunigen.

In Anerkennung dessen haben NABU und LEE den Versuch unternommen, sich im Interesse eines naturverträglichen Ausbaus der Windenergie in Nordrhein-Westfalen auf einen Katalog von Kriterien für die Auswahl jener Flächen zu verständigen, auf denen sich die Nutzung der Windenergie entfalten kann, ohne ökologisch wertvolle Lebensräume in Anspruch zu nehmen, gefährdete Tierarten zu schädigen oder wichtige Erholungsräume der Bevölkerung in Mitleidenschaft zu ziehen. Die in konstruktiver und in sachlicher Atmosphäre geführten Gespräche wurden nun ergebnislos beendet, nachdem die Landesregierung wesentliche Entscheidungen bereits getroffen hat und nach den Angaben des Umweltministers Oliver Krischer nicht einmal davor Halt machen will, die Windenergienutzung in den künftig noch auszuweisenden Schutzgebieten zu ermöglichen (Presseinformation vom 7. März 2023).

Da derartige Entscheidungen der Landespolitik weitere Bemühungen um eine Verständigung zwischen den Verbänden nicht mehr als sinnstiftend erscheinen lassen, wurden die Gespräche zwischen NABU und LEE ergebnislos beendet. Das ändert allerdings nichts daran, dass der NABU den Prozess der Identifikation und Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung auf Ebene der Raumordnungsplanung weiterhin kritisch begleiten und sich dafür einsetzen wird, dass die Natur in Nordrhein-Westfalen nicht „unter die (Wind-)Räder kommt“.

Der NABU hält die Forderung uneingeschränkt aufrecht, dass die bereits bestehenden und noch auszuweisenden Gebiete des europäischen Netzes Natura 2000, Nationalparke und Nationale Naturmonumente, Naturschutzgebiete und Biosphärenreservate, gesetzlich geschützte Biotope, Wildnisentwicklungsgebiete und Naturwaldzellen, sowie die für den Biotopverbund wichtigen Gebiete in Nordrhein-Westfalen, der Windkraftnutzung nicht kurzerhand geopfert werden. Außerdem müssen auf Basis von entsprechenden Fachbeiträgen zu Artenschutz und Windenergie die Schwerpunktvorkommen windenergiesensibler Arten sowohl bei der Verteilung der Flächenbeitragswerte im Landesentwicklungsplan als auch bei der späteren Ausweisung von Windenergiegebieten Berücksichtigung finden.

Mit Rücksicht darauf, dass die Waldfläche pro Einwohner bundesweit rund 1.265 m2 beträgt, während sich der Anteil in Nordrhein-Westfalen lediglich auf 470 m2 pro Einwohner beläuft, setzt sich der NABU für die Erhaltung des Waldes ein, der Erholungsfunktionen für die Bevölkerung sowie bedeutende Klimaschutzfunktionen erfüllt. Auch wenn der erforderliche Ausbau der Windenergie ohne die Inanspruchnahme von Waldflächen nicht auskommen wird, müssen doch jedenfalls die für die Erholung der Bevölkerung wichtigen und ökologisch wertvollen Laub- und Mischwälder vor den negativen Auswirkungen der Windkraftnutzung unabhängig davon geschützt werden, ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt durch Windwurf, Käferfraß oder Dürre geschädigt worden sind.

Der beschleunigte Ausbau der Windenergie entspricht fraglos einem öffentlichen Interesse von besonderem Gewicht. Nichts anderes gilt aber für den Schutz der Biodiversität einschließlich der Vielfalt der Lebensräume und Arten. In diesem Sinne wird sich der NABU auch weiterhin im Interesse der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen in Nordrhein-Westfalen dafür stark machen, dass sich die Nutzung der Windenergie hierzulande in naturverträglichen Bahnen vollzieht.

Windräder in Wäldern beeinträchtigen bedrohte Fledermausarten

Um Klimaschutzziele zu erreichen, boomt in Deutschland der Ausbau erneuerbarer Energien – insbesondere der Windkraft. Mehr als 30.000 Anlagen wurden bislang auf dem Festland installiert, jetzt beginnt ein Ringen um weitere, rarer werdende, geeignete Standorte. So rücken auch Wälder als Standorte in den Fokus. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) wies jetzt in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Current Biology“ nach, dass die Windenergieerzeugung an diesen Standorten mit erheblichen Nachteilen verbunden für bedrohte Fledermausarten sein könnte: Große Abendsegler (Nyctalus noctula) haben ein hohes Kollisionsrisiko und sind vermehrt an Windkraftanlagen in Wäldern anzutreffen, wenn diese in der Nähe von ihren Quartieren stehen. Fern der Quartiere meiden Große Abendsegler jedoch die Anlagen, was praktisch zu einem Lebensraumverlust für diese Art führt.

Große Abendsegler leiden den Ergebnissen der Untersuchung nach doppelt unter dem Windenergieausbau im Wald: Sie sind der wachsenden Gefahr ausgesetzt, mit den Anlagen zu kollidieren und dadurch getötet zu werden, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren gebaut werden, und sie verlieren einen Teil ihres Jagdlebensraumes, da sie die Anlagen fern ihrer Quartiere meiden. In ihrem Aufsatz folgert das Team aus den Resultaten, dass der Windkraftausbau in Wäldern mit großer Sorgfalt und Umsicht erfolgen muss. Zu Quartierstandorten von Fledermäusen sollte ein Mindestabstand von 500 m eingehalten und der verursachte Lebensraumverlust kompensiert werden, indem an anderer Stelle Wälder aus der Nutzung genommen werden.

Die Windenergieproduktion ist ein wichtiges Standbein für die Energiewende in Deutschland und leistet einen erheblichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Mehr als acht Prozent der Windkraftanlagen in Deutschland befinden sich bereits in Wäldern. Ihr Anteil soll in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, weil geeignete Standorte in der offenen Fläche rar werden. „In Wäldern kommt eine Vielzahl von Fledermausarten vor, da es hier viele Baumquartiere und zudem viele geeignete Jagdlebensräume mit hohen Insektenvorkommen gibt“, sagt Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Darunter sind auch Arten wie der Große Abendsegler, der in Deutschland am häufigsten an Windkraftanlagen zu Tode kommt. Laut dem Bundesamt für Naturschutz nehmen die Bestände dieser Art deutschlandweit ab. Es ist deshalb dringend geboten, die Interaktion der Fledermäuse mit den Windkraftanlagen im Wald genauer unter die Lupe zu nehmen.

Voigt und seine Kolleg:innen untersuchten das Raumnutzungsverhalten von Großen Abendseglern mit Hilfe miniaturisierter GPS-Logger. Diese Logger dokumentierten die Flugpfade von 60 Großen Abendseglern mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung über 1-2 Nächte, bevor die Logger selbständig wieder vom Tier abfielen. „Wir stellten fest, dass Große Abendsegler besonders dann mit hoher Wahrscheinlichkeit Windkraftanlagen anflogen, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren standen“, sagt Voigt. Fledermäuse nutzen exponierte Strukturen oftmals als sozialen Treffpunkt. Vermutlich fliegen sie deshalb vermehrt Windkraftanlagen über den Baumkronen an, wenn die Anlagen in der Nähe von Quartieren stehen. Dies birgt ein hohes Risiko für die Tiere, mit den Rotorblättern zu kollidieren. „Windkraftanlagen müssten demnach in ausreichender Entfernung zu bestehenden Baumquartieren aufgestellt werden“, fordert Christine Reusch, Erstautorin des Aufsatzes. „Da Quartiere jedoch auch neu entstehen können, besteht die Gefahr, dass vermeintlich sichere Windkraftanlagen, die während der Genehmigungsphase in ausreichend großem Abstand zu Fledermausquartieren aufgestellt wurden, später zur Todesfalle werden“, schließt Reusch.

Die Autor:innen stellten auch fest, dass die Großen Abendsegler jenseits von Baumquartieren die Windkraftanlagen mieden. Hierzu führten sie eine Datenanalyse durch, in der alle Ortungen in der Nähe von Quartieren unberücksichtigt blieben. Diese Analyse ergab, dass Fledermäuse jenseits von Quartieren Windkraftanlagen meiden. „Was sich nach einer guten Nachricht anhört, birgt auch ein Problem“, sagt Voigt. „Durch das Meidungsverhalten verlieren Große Abendsegler wichtige Jagdlebensräume.“ Die Forschenden empfehlen daher, Windkraftanlagen erstens nicht in Wäldern aufzustellen und zweitens besonders achtsam zu sein, falls es keine Alternativen gibt. Es sollte ein Mindestabstand von 500 m zwischen Windkraftanlagen und bekannten Fledermausquartieren in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden und der Lebensraumverlust in der Nähe der Windkraftanlagen an anderer Stelle kompensiert werden. Ein naturverträglicher Ausbau ist angesichts der komplexen Interaktion der Fledermäuse an Windkraftanlagen in Wäldern eine große Herausforderung, so Voigt und Reusch.

Publikation: Reusch C, Paul AA, Fritze M, Kramer-Schadt S, Voigt CC (2022): Wind energy production in forests conflicts with tree-roosting bats. Current Biology. DOI: 10.1016/j.cub.2022.12.050.

Quelle: https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/kollisionsrisiko-und-lebensraumverlust-windraeder-in-waeldern-beeintraechtigen-bedrohte-fledermausarten.html

Download: https://www.researchgate.net/publication/367318905_Wind_energy_production_in_forests_conflicts_with_tree-roosting_bats

Beachtung von Fledermäusen beim Ausbau der Windenergie

Fachpapier des Bundesfachausschuss (BFA) Fledermäuse im NABU:
Beachtung von Fledermäusen beim weiteren Ausbau der Windenergie

Die öffentliche Debatte um den Windenergieausbau fokussiert aktuell in erster Linie auf den Konflikt zwischen Windenergieanlagen (WEA) und Vögeln. Die Konfliktlagen, die mit anderen Tiergruppen bestehen, werden in der Debatte weitestgehend ausgeblendet. Im Falle von Fledermäusen liegt dies vermutlich an der Annahme, mit Hilfe technischer Minimierungsmaßnahmen wie der Abschaltung von WEA seien die Konflikte in diesem Spannungsfeld gelöst. Dies ist allerdings ein Irrtum. Hinsichtlich des Fledermausschutzes werden in Deutschland einige artenschutzrechtlich bedenkliche Praktiken im Rahmen von Genehmigungsverfahren von WEA umgesetzt, die einer ökologisch nachhaltigen Energiewende widersprechen.

Es ist unbestritten, dass der Ausbau der Windenergie im Ganzen als Teil der Energiewende dem Klimaschutz dient. Biodiversitäts- und Klimakrise sind aber zwei Krisen, die in ihrer ökologischen und gesellschaftlichen Bedeutung als gleichwertig zu behandeln sind. Die Klimakrise fördert zwar das globale Artensterben, die Hauptursache für die Biodiversitätskrise liegt aber in den von Menschen bewirkten weltweiten Landnutzungsänderungen. Da Klimaerwärmung und Biodiversitätskrise unterschiedliche Hauptursachen haben, sind die Ansätze zu deren Bekämpfung unterschiedlich. Genauso wie Naturschutz dem Klimaschutz dient, hilft ökologisch nachhaltiger Klimaschutz auch dem Naturschutz. Klimaschutz kann jedoch wirksamen Artenschutz nicht ersetzen. Im Falle der Fledermäuse ist es unklar, welche Auswirkungen der Klimawandel auf einheimischen Arten haben wird. Der Ausbau der Windenergie ist somit zwar als Klimaschutzmaßnahme zu werten, nicht aber als wichtigste Maßnahme zum Schutz von Fledermäusen oder gar der globalen Biodiversität, wie das regelmäßig in Diskussionen angeführt wird.

Der Zielkonflikt zwischen Naturschutz und Klimaschutz ist bei Planungen von WEA anzuerkennen. Er kann nur dann aufgelöst werden, wenn beiden Zielen gleichwertiger Raum gegeben wird. Auf Grund biologischer Besonderheiten und des hohen Schutzstatus der Fledermäuse besteht die Notwendigkeit einer umfangreichen Berücksichtigung von Fledermäusen bei der Planung und dem Betrieb von WEA. Das folgende Papier soll einige der Konfliktfelder aufführen und Lösungsansätze wiedergeben.

Download: 220410_Standpunkt_BFA-Fledermaeuse_Beachtung-von-Fledermaeusen-beim-weiteren-Ausbau-der-Windenergie

Tod von Fledermäusen an Windkraftanlagen unterbricht natürliche Nahrungsketten

Der Tod von Fledermäusen an Windenergieanlagen (WEA) hat negative Auswirkungen auf die Populationen betroffener Arten und weitreichende Konsequenzen für die biologische Vielfalt (Biodiversität) im ländlichen Raum. Bisher konnten über weitergehende Folgen des Todes von Fledermäusen nur Vermutungen angestellt werden. Jetzt zeigte ein Team von Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Conservation Science and Practice“,  dass dadurch natürliche Nahrungsketten unterbrochen werden, was weitreichende negative Folgen für die Land- und Forstwirtschaft haben kann. Die Untersuchung demonstriert, in welchem Ausmaß bisher die herausragende funktionelle Bedeutung der Fledermäuse für unsere Lebensräume unterschätzt wurde.

Die Wissenschaftler:innen des Leibniz-IZW untersuchten das Beutespektrum von an WEA getöteten Großen Abendseglern, einer häufigen Fledermausart, die regelmäßig an WEA zu Tode kommt. Am Beispiel der vom Großen Abendsegler verzehrten Insekten dokumentierten sie, in welchem Ausmaß mit den getöteten Fledermäusen auch ihre funktionelle Bedeutung für ihre Lebensräume verloren geht.

Carolin Scholz und Christian Voigt – vom Leibniz-IZW – untersuchten, welche Insekten Große Abendsegler verzehrten, kurz bevor sie an den WEA zu Tode kamen. Hierfür analysierten sie den Mageninhalt von 17 an WEA getöteten Großen Abendseglern. Mit Hilfe ausgefeilter genetischer Methoden, inklusive der Hochdurchsatzsequenzierung, suchten sie nach den genetischen Barcodes der verzehrten Insekten. Diese genetischen Barcodes geben über die Identität der Arten Aufschluss. „Wir fanden DNA-Barcodes von 46 Insektenarten aus neun Ordnungen, die meisten davon Käfer und Nachtfalter“, sagt Scholz. „Die Insektenarten ließen sich einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume, von Ackerflächen über Grünland bis zu Wäldern und Feuchtgebieten, zuordnen.“ Zwanzig Prozent der identifizierten Insektenarten werden in der Land- und Forstwirtschaft als Schädlinge oder Lästlinge angesehen, beispielsweise der Esskastanienbohrer (Curculio elephas) oder der Eichenwickler (Cydia splendana). Das Wissenschaftsteam schließt daraus, dass der Verlust von Fledermäusen bestehende Nahrungsketten unterbricht und es somit zu einer höheren Anzahl von Schädlingen und Lästligen kommen könnte, was möglicherweise durch eine chemische Schädlingsbekämpfung kompensiert wird. Die kostenlose „Service-Leistung“ der Schädlingsreduzierung durch Fledermäuse wird durch die WEA beeinträchtigt, und ist somit für die Land- und Forstwirtschaft ein relevantes Thema.

Die Energieproduktion aus Windkraft trägt unbestritten zur Reduzierung der CO2– Emission bei. Der Flächenbedarf hierfür ist groß, die ökologischen Nebenwirkungen für betroffene Tiergruppen wie Fledermäuse und Insekten massiv. Jüngst wurde für Deutschland eine Verdoppelung der für die Windenergieproduktion genutzten Landfläche beschlossen.  Hiervon sind vor allem landwirtschaftliche Flächen und Forstmonokulturen betroffen. Diese Ökosysteme sind bereits durch eine reduzierte Artenvielfalt charakterisiert, da sie in der Vergangenheit mehrere Wellen der Intensivierung durchliefen, Flure bereinigt und Anbaumethoden zugunsten der Ertragserhöhung optimiert wurden. Die WEA, die im Rahmen der Energiewende aufgestellt werden, führen nun zu einer neuen Welle der Intensivierung.

„Bisher sind die Folgen dieser aktuellen Landnutzungsintensivierung für die Biodiversität und die Widerstandsfähigkeit dieser Lebensräume nicht bekannt. Das ist umso bedauerlicher, da diese Transformation gerade im großen Stil in unseren Landschaften durchgeführt wird“, berichtet Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie. “Auf welche Weise sich die Energiewende auf die biologische Vielfalt in den betroffenen Lebensräumen auswirkt, müssen wir noch erheblich genauer verstehen. Dabei steht es außer Frage, dass die aufgestellten WEA zum Schutz des globalen Klimas und hierüber auch zum Erhalt der Biodiversität beitragen.“ Bekannt ist aber auch, dass an WEA eine große Zahl an Fledermäusen verstirbt. „Der Verlust dieser Schlagopfer ist für die Populationen oftmals schwierig abzufangen, da die betroffenen Arten geringe Reproduktionsraten haben. Es verschwinden jedoch nicht nur Individuen aus der Landschaft, sondern potenziell gehen auch ihre Interaktionen in komplexen Nahrungsnetzen verloren“ sagt Scholz, Erstautorin des Artikels.

Zählungen haben ergeben, dass pro Jahr mehr als zehn Fledermäuse an jeder konventionell betriebenen WEA zu Tode kommen. Das summiert sich bei 30.000 WEA auf dem Festland in Deutschland zu erheblichen sechsstelligen Schlagopferzahlen. Neuere Anlagen werden mittlerweile in Zeiten hoher Fledermausaktivität zeitweise abgeschaltet, um die Fledermäuse davor zu bewahren, mit den Rotorblättern zu kollidieren. Dies kann die Schlagopferzahl auf ein bis zwei Individuen pro Jahr und WEA reduzieren. Tragischerweise werden allerdings alte WEA nach wie vor ohne derartige Abschaltregeln betrieben. Dies sind immerhin 75 % aller WEA in Deutschland. „Wir müssen damit rechnen, dass pro Jahr mehr als 200.000 Fledermäuse an WEA versterben“, sagt Voigt. „Wenn weiterhin diese hohe Zahl an Schlagopfern an WEA geduldet wird, werden immer weniger Schadinsekten durch Fledermäuse verzehrt“, schlussfolgert Voigt. Fledermäuse spielen als Jäger eine wichtige Rolle bei der natürlichen Regulierung von Insektenbeständen. Der Verlust von Fledermäusen und ihres Einflusses auf Nahrungsketten lässt Ökosysteme anfälliger gegenüber Störungen werden, so mutmaßen Voigt und Scholz. Um die Zusammenhänge genauer zu verstehen, bedarf es noch weiterer, tiefergehender Forschungsarbeiten. Ein erster wichtiger Schritt zum Erhalt der Fledermäuse und ihrer funktionellen Rolle in ihren Lebensräumen wäre eine verpflichtende Abschaltung der WEA in Zeiten hoher Fledermausaktivität, fordern Voigt und Scholz. Hierfür muss die Genehmigungspraxis alter WEA überdacht werden. Nur dadurch lassen sich die negativen Folgen der Landnutzungsintensivierung durch die Energiewende auf unsere Ökosysteme auf ein Minimum beschränken.

Publikation:
Scholz C, Voigt CC (2022): Diet analysis of bats killed at wind turbines suggest large scale losses of trophic interactions. Conservation Science and Practice, 2022 e12744. DOI: 10.1111/csp2.12744

Ohne Abschaltzeiten: Viele Schlagopfer an alten Windenergieanlagen

An Windenergieanlagen (WEA) versterben regelmäßig Fledermäuse seltener und geschützter Arten, sofern deren Betrieb in Zeiten hoher Fledermausaktivität nicht zeitweise eingestellt wird. Ein Wissenschaftsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) führte nun eine beispielhafte Zählung der Schlagopferzahlen durch eine systematische Erfassung von Fledermauskadavern unter alten Anlagen durch, die ohne Auflagen zum Fledermausschutz betrieben werden. In zwei Monaten kamen pro WEA durchschnittlich 70 Fledermäuse zu Tode. Auch wenn diese Zahlen nicht eins-zu-eins auf alle 20.000 alten Anlagen in Deutschland übertragen werden könnten, ergäbe sich ein erheblicher Handlungsbedarf. Der Betrieb alter Anlagen müsste dem aktuellen Regelwerk angepasst werden, argumentieren die Autor:innen in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Global Ecology and Conservation“.

Der Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) zur Stromerzeugung hat unerwünschte Nebenwirkungen auf die Tierwelt, denn an den Rotoren versterben regelmäßig Fledermäuse seltener und geschützter Arten, wie dem Großen Abendsegler (Nyctalus noctula) oder der Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii). Die Verluste an den WEA tragen zu Bestandsrückgängen bei. Dieses gravierende Problem wird bei neuen WEA durch das zeitweise Abschalten der Anlagen bei hoher Fledermausaktivität berücksichtigt – jedoch erst seit gut zehn Jahren. Ältere WEA, also etwa 75% aller derzeit in Deutschland in Betrieb befindlichen Onshore-Anlagen, sind bisher von solchen Auflagen nicht betroffen. „Da wir wissen, dass diese Auflagen das Schlagrisiko an Windenergieanlagen für die Tiere tatsächlich nennenswert senken, müssen wir von erheblichen Schlagopferzahlen vor allem an unregulierten Anlagen und an Anlagen an ungünstigen Standorten ausgehen“, sagt PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie des Leibniz-IZW.

Voigt und seine Kolleginnen errechneten im Jahr 2021 beispielhaft die Schlagopferzahlen an einem seit 2001 laufenden Windpark mit drei Anlagen – mit dem unerfreulichen Ergebnis, dass in zwei Sommermonaten pro Anlage im Durchschnitt 70 Schlagopfer zu verzeichnen waren. Hochgerechnet auf die zwanzigjährige Laufzeit dieses Windparks muss von erheblichen Opferzahlen an diesem Windpark ausgegangen werden. Um diese präzisen Zahlen zu erlangen, sammelte das Wissenschaftsteam in den Monaten August und September Fledermaus-Schlagopfer an den drei WEA des Windparks westlich von Berlin. „Präzise Zählungen sind eine methodische Herausforderung, da wir aus zwei Gründen längst nicht alle Schlagopfer finden können“, führt Ko-Autorin Dr. Carolin Scholz aus. „Zum einen finden wir nur einen Bruchteil der Kadaver in der hohen Vegetation, zum anderen werden die Kadaver durch Füchse sowie Krähen- und Greifvögel relativ schnell wieder abgetragen.“ Jede einfache Zählung wäre daher eine massive Unterschätzung der tatsächlichen Schlagopferanzahlen. Das Team führte daher mit Mäusekadavern ein Experiment durch, um die Sucheffizienz zu ermitteln. Mäuse- und Fledermauskadaver haben eine ähnliche Größe und daher eine ähnlich hohe Wahrscheinlichkeit, gefunden zu werden. Darüber hinaus ermittelten sie, wie lange Mäusekadaver, die unter den Anlagen an Zufallsorten verteilt wurden, vor Ort verbleiben. „Wir konnten ermitteln, dass selbst erfahrene Suchteams nur eins von sechs (17%) Schlagopfern finden und dass knapp die Hälfte der Kadaver innerhalb von 24 Stunden von anderen Tieren entfernt wurden“, sagt Scholz. „Nach den 24 Stunden blieben nahezu alle verbliebenen Kadaver noch ungefähr eine Woche liegen, sodass wir einen sehr zuverlässigen Korrekturwert für unsere systematische Zählung im Abstand von im Mittel zwei Tagen generieren konnten.“

Mittels beider Korrekturwerte errechnete das Team eine Anzahl von 209 Schlagopfern an den drei Windenergieanlagen in den zwei Monaten während der Hauptzugzeit der Fledermäuse. Obschon die Anzahl von 70 Schlagopfern pro WEA und Jahr im Vergleich zu bisher bekannten Werten relativ hoch ist, sieht Christian Voigt diesen als konservativ an, da zum Beispiel Teile der Zugzeit nicht in den Untersuchungszeitraum fielen. Vermutlich ist der Standort des Windparks aus Sicht des Fledermausschutzes sehr ungeeignet, da viele Hecken und Gebüsch in der Nähe der Anlagen stehen. „Diese konservative Hochrechnung ist alarmierend genug, denn wir müssen davon ausgehen, dass in Deutschland an 20.000 nicht regulierten Anlagen im Laufe ihrer Lebensdauer sehr viele Schlagopfer zu verzeichnen sind“, so Voigt. „Dies ist bei gefährdeten Arten mit rückläufigen Bestandszahlen wie dem Großen Abendsegler nicht akzeptabel, zumal Fledermäuse durch vielerlei Rechtsgrundlagen auf nationaler und EU-Ebene streng geschützt sind.“

Die Autorinnen und Autoren plädieren daher dafür, dass der Betrieb alter Anlagen überdacht wird und dem aktuellen Regelwerk – beispielsweise im Hinblick auf verpflichtende Abschaltungen in Zeiten hoher Fledermausaktivität – angepasst wird. Bei alten Anlagen, die an besonders ungünstigen Standorten stehen, müsse auch ein Abbau in Erwägung gezogen werden, damit die Ziele der Energiewende zur Reduktion von Treibhausgasen bei der Energieproduktion nicht unverhältnismäßig auf Kosten der Artenvielfalt erreicht werden.

Quelle:
https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/alte-windenergieanlagen-ohne-abschaltzeiten-fordern-viele-schlagopfer-unter-geschuetzten-fledermausarten.html

Publikation:
Voigt CC, Kaiser K, Look S, Scharnweber K, Scholz C (2022): Wind turbines without curtailment produce large numbers of bat fatalities throughout their lifetime: A call against ignorance and neglect. Global Ecology and Conservation, Volume 37, 2022, e02149. DOI: 10.1016/j.gecco.2022.e02149

Lebensraum für Fledermäuse durch Windkraftanlagen eingeschränkt

Viele Fledermausarten migrieren jahreszeitlich über weite Strecken durch Europa und nutzen dabei die Küsten der Nord- und Ostsee als Korridore. Küsten sind auch geeignete Standorte für Windkraftanlagen, an denen Fledermäuse zu Tode kommen können. Eine Untersuchung des Raumnutzungsverhaltens von Großen Abendseglern in diesen Küstenregionen unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) zeigt nun, dass Windkraftanlagen im Küstenbereich den Lebensraum der Fledermäuse einschränken. Daher sollten bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten verbliebene Refugien geschützt und neue Anlagen nicht in der Nähe von Jagdlebensräumen und Tagesquartieren aufgestellt werden, schlussfolgern die Wissenschaftler:innen in dem Aufsatz im „Journal of Environmental Management“. Der Ausbau der Windkraft in Deutschland könnte sonst nicht nur für heimische Tiere, sondern auch für migrierende Fledermäuse aus Nordosteuropa nachteilige Konsequenzen haben.

Viele Fledermäuse sind echte Europäer: Sie wandern im Rhythmus der Jahreszeiten von ihren Sommerlebensräumen in Nordosteuropa, in denen sie sich fortpflanzen, zu ihren Überwinterungsgebieten in den Beneluxstaaten, Frankreich und Nordspanien. Dabei legen sie bis zu 2.000 Kilometer zurück und lassen sich vermutlich durch günstige Winde tragen. Diese Winde, welche besonders stark und stet an der Küste wehen, sind auch besonders gut zur Erzeugung von Strom aus Windkraft geeignet. In einer Analyse der Raumnutzung untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung des Leibniz-IZW nun, in welcher Weise Große Abendsegler (Nyctalus noctula) mit Windenergieanlagen (WEA) an Küstenstandorten interagieren. Da migrierende Fledermäuse einerseits streng geschützt sind, andererseits aber besonders häufig an WEA in Deutschland verunglücken, ist es wichtig zu wissen, wie Fledermäuse in einem solchen Ballungsgebiet der Windenergieproduktion geschützt werden können, sodass neben den Interessen des Klimaschutzes auch die Interessen des Artenschutzes berücksichtigt werden.

Das Team um PD Dr. Christian Voigt und Dr. Christine Reusch analysierte die Bewegungsdaten von 11 Großen Abendseglern, die sie in einem küstennahen Waldgebiet einfingen und mit miniaturisierten GPS-Einheiten ausstatteten. Die Mini-Sender fallen nach einigen Tagen von alleine von den Flattertieren ab. Die Auswertung zeigte, dass die Mehrzahl der Tiere die WEA auf eine Distanz von mehreren Kilometern mieden. „Einerseits ist das eine gute Nachricht, denn dies verhindert, dass sie an den Anlagen zu Tode kommen“, sagt Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Anderseits bedeutet dies auch, dass sie einen Großteil ihrer Lebensräume durch den Betrieb der WEA verlieren. Bei einem ungebremsten weiteren Ausbau der Windenergieproduktion entlang der Küsten könnte es für diese Nomaden der Lüfte kritisch werden.“

Die Bewegungsrouten der Fledermäuse zeigten, dass sich einige Tiere den WEA näherten. Dies geschah besonders häufig, wenn die WEA in der Nähe eines Fledermaus-Tagesquartiers, eines Bauernhofs oder eines Gewässers standen. Gerade Bauernhöfe außerhalb von Ortschaften und Gewässer schienen sie an WEA anzulocken, vermutlich wegen der vielen Insekten, die sie dort jagen konnten. Große WEA wurden von den Fledermäusen deutlich häufiger angeflogen als kleine WEA, dies könnte aber ein spezieller Effekt der darunter liegenden Landschaftsstruktur und der Lage der Windturbinen zu den Tagesquartieren und Jagdgebieten sein. Die vergleichsweise höhere Aktivität an großen WEA könnte den Tieren jedoch zum Verhängnis werden, denn der angestrebte Ausbau der Windenergieproduktion soll vor allem über große WEA mit einer höheren Energieleistung erfolgen.

„Unsere Empfehlung für den Küstenbereich ist insgesamt, WEA nur in ausreichendem Abstand zu Quartieren und zu Jagdlebensräumen zu bauen“, erklärt Christine Reusch, die das über die Deutsche Bundesstiftung Umwelt geförderte Projekt als Postdoc durchführte. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die wertvolle Ressource ‚Luftraum‘ sowohl für die Windenergieproduktion als auch für den Artenschutz nutzen können. In einem derartig wichtigen Migrationsgebiet, wie es die norddeutsche Küste sowohl für Vögel als auch für Fledermäuse ist, muss der Ausbau der Windenergieproduktion besonders behutsam erfolgen. Die Dichte der Anlagen sollte nicht zu hoch bemessen werden, um noch Platz für die Migration der Fledermäuse und anderer Tiere zu lassen.“

Deutschland spielt aufgrund seiner zentralen geografischen Lage in Europa eine wichtige Rolle beim Schutz migrierender als auch residenter Fledermausarten. Diese sind nach nationalem und EU-Recht streng geschützt. Außerdem hat sich Deutschland als Unterzeichner der relevanten UN-Konvention dem Schutz migrierender Tiere verpflichtet. Der Ausbau der Windenergieproduktion entlang der Küsten könnte zu weiteren beträchtlichen Lebensraumverlusten für migrierende Fledermäuse führen und dadurch deren Wanderung behindern. Bislang wird der weiträumige Lebensraumverlust beim Bau von WEA im Offenland nicht bewertet oder gar kompensiert. Um der bestehenden Gesetzgebung zu folgen, müsste dieser Lebensraumverlust eigentlich in die Genehmigungsverfahren und Planung von Windeignungsgebieten einbezogen werden, so das Fazit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dass Fledermäuse wie auch Vögel an Windkraftanlagen in nennenswerter Anzahl zu Tode kommen, stelle ein Hemmnis beim Ausbau der Windenergieproduktion dar; Biodiversitätsschutz und Klimaschutz seien jedoch gleichrangige Ziele, die gemeinsam bedacht und umgesetzt werden müssen.

Quelle:
https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/konflikt-um-die-lufthoheit-onshore-windkraftanlagen-schraenken-migrierende-fledermaeuse-in-ihrem-lebensraum-ein.html

Publikation: 
Reusch C, Lozar M, Kramer-Schadt S, Voigt CC (2022). Coastal onshore wind turbines lead to habitat loss for bats in Northern Germany. Journal of Environmental Management. DOI: 10.1016/j.jenvman.2022.114715

Windräder in Wäldern verdrängen Waldfledermäuse

Da im Zuge der Energiewende mehr Windenergieanlagen (WEA) installiert und Abstandsregeln zu Siedlungen verschärft wurden, sind geeignete Standorte schwerer zu finden. Daher werden WEA immer häufiger auch in Wäldern errichtet – zum Nachteil für Waldspezialisten unter den Fledermäusen. In einer neuen Untersuchung wies ein Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) nach, dass solche Fledermäuse, die unterhalb der Baumkrone nach Nahrung suchen, zwar kein erhöhtes Risiko haben, an solchen Anlagen zu verunglücken, diese Fledermäuse aber über hunderte von Metern Abstand zu solchen Windkraftanlagen halten. Waldstandorte sollten daher entweder gar nicht oder nur in Ausnahmefällen mit beauflagten Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz von Waldfledermäusen genutzt werden, so das Team in einem Aufsatz im „Journal of Applied Ecology.“

Weltweit werden immer mehr Windkraftanlagen aufgestellt, um die Ziele der nationalen Klimastrategien zu erreichen. In Deutschland sind derzeit ungefähr 30.000 WEA auf dem Festland in Betrieb. Die offenen Flächen, auf denen Windkraftanlagen in der Nähe von Städten und Dörfern geduldet werden, sind jedoch begrenzt. Deshalb werden immer häufiger Windkraftanlagen in Wäldern errichtet. „Wälder sind sensible Ökosysteme und wertvolle Lebensräume für viele seltene und geschützte Fledermausarten“, sagt PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Windkraftanlagen in Wäldern können Fledermäusen in mehrfacher Hinsicht Probleme bereiten. Fledermäuse, die oberhalb der Baumkronen nach Insekten jagen, können direkt an den Anlagen getötet werden, durch Kollision mit Rotorblätter oder einfach durch die erheblichen Druckunterschiede, die sie nicht überstehen können. Fledermäuse, die in der Vegetation unter den Baumkronen jagen, verlieren durch die Rodungen einen Teil ihres Lebensraums.“ Auch im weiteren Umfeld von Windkraftanlagen und Rodungen könne sich ihr Lebensraum verschlechtern, wenn sie durch den Betrieb der Anlagen gestört werden.

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von der Phillips-Universität Marburg und der Christian-Albrechts-Universität Kiel untersuchte Voigt und seine Studentin vor allem jene Fledermäuse, die unterhalb der Baumkrone im Schutz der Vegetation nach Nahrung suchen. Dazu erfassten sie an 24 Waldstandorten in Hessen die Aktivität von Fledermäusen in verschiedenen Abständen zu den Windkraftanlagen mit Hilfe von Ultraschalldetektoren. Die aufgenommenen Rufe ordneten die Wissenschaftler:innen drei Gruppen von Fledermäusen zu. Erstens jene, die in offenem Gelände (z.B. über den Baumkronen) auf Nahrungssuche gehen, zweitens die Arten, die an Randstrukturen jagen und drittens die Spezialisten für Nahrungssuche auf engen Räumen, also beispielsweise Waldspezialisten unterhalb des Kronendachs wie die Fledermäuse der Gattungen Mausohren (Myotis) oder Langohrfledermäuse (Plecotus). „Wir stellten fest, dass diese Waldspezialisten in der Nähe von Windkraftanlagen deutlich weniger aktiv sind, insbesondere in der Nähe von Turbinen mit großen Rotoren, sowie in den Hochsommermonaten“, sagt Voigt. Ab einer Entfernung von 450 Metern nimmt die Aktivität dieser Fledermäuse in Richtung der Anlagen um fast 50 Prozent ab.

Windkraftanlagen an Waldstandorten stellen somit nicht nur eine Bedrohung für solche Fledermäuse dar, die oberhalb der Baumkronen nach Insekten jagen, sondern beeinträchtigen auch den Lebensraum für Fledermäuse, die unterhalb der Baumkrone in den Wäldern leben und dort nach Insekten jagen. „Waldspezialisten sind daher keine typischen Schlagopfer, ihr Lebensraum und ihr Aktivitätsradius ist dennoch deutlich eingeschränkt in einem Umkreis von mehreren Hundert Metern um eine Anlage“, schließt Voigt.

Die Autor:innen empfehlen daher, Windkraftanlagen nicht in Wäldern, sondern in der offenen Landschaft aufzustellen und insbesondere naturnahe Wälder mit einer abwechslungsreichen Vegetationsstruktur als Standorte zu vermeiden. Müssten Windkraftanlagen dennoch in Wäldern errichtet werden, dann sind Maßnahmen zum Ausgleich essenziell. Ein Teil dieser Ausgleichsmaßnahmen sollte es sein, eine entsprechend große Waldfläche für die Waldfledermäuse aus der intensiven Waldbewirtschaftung zu nehmen, damit der durch den Betrieb der Anlagen verursachte Lebensraumverlust ausgeglichen werden kann.

Publikation

Ellerbrok J, Delius A, Peter F, Farwig N, Voigt CC (2022): Activity of forest specialist bats decreases towards wind turbines at forest sites. Journal of Applied Ecology. DOI: 10.1111/1365-2664.14249.

Position des BVF zum Fledermausschutz beim Ausbau der Windkraft

Im Rahmen des Koalitionsvertrages der Bundesregierung (SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP) für die Legislaturperiode 2021-2025 wird der Klimaschutz zum zentralen Thema aufgewertet, wodurch die Belange der nach dem § 7 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) besonders und streng, sowie nach der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (RL 92/43 EWG) geschützten Fledermäuse betroffen sind.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, “das europäische Naturschutzrecht eins-zu-eins also “die Energiewende ohne Abbau ökologischer Standards” im Hinblick auf die Weiterentwicklung der naturverträglichen Windenergieproduktion in Deutschland umzusetzen. Der BVF begrüßt ausdrücklich die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung zur Bewältigung zweier globaler Krisen: Der Biodiversitätskrise und der Klimakrise.

Wir wissen um die große Herausforderung, rasch adäquate Lösungen zu finden, da beide Themenkreise ineinandergreifen und die jeweiligen Lösungsansätze konfliktträchtig und drängend sind. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) angestrebte Schutzgüterabwägung zugunsten der Belange der Erneuerbaren Energien (EE) und die Absichtserklärung eines beschleunigten Ausbaus von Windenergieanlagen (WEA) im Sinne von inhaltlich vereinfachten und somit beschleunigten Planungsverfahren nimmt der BVF zum Anlass, zu den aufgeworfenen Fragen und Diskussionspunkten Stellung zu nehmen.

Das hierzu durch den Arbeitskreis Windenergie des Bundesverband für Fledermauskunde Deutschland e.V. – BVF erstellte Positionspapier ist zum Download erhältlich.

Hohe Gefährdung von jungen Fledermäusen an Windkraftanlagen

Viele Fledermäuse kommen durch Windkraftanlagen zu Tode. Bislang war unklar, ob alle Altersgruppen oder Geschlechter in gleichem Maße gefährdet sind.

Ein Vergleich von Alter, Geschlecht und Herkunft von an Windkraftanlagen getöteten Rauhautfledermäusen mit lebenden Artgenossen in der Nähe der Anlagen zeigt nun, dass Jungtiere überproportional häufig an Windkraftanlagen zu Tode kommen. Weibchen werden häufiger an Windkraftanlagen geschlagen als Männchen – dies entspricht aber ihrem höheren Anteil in den lokalen Beständen. Die hohe Zahl getöteter Jungtiere und Weibchen könnten sich langfristig negativ auf die Bestandsentwicklung auswirken. Deshalb scheint die derzeitige Praxis der Windenergieerzeugung als nicht ökologisch nachhaltig. Die Untersuchung wurde von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) geleitet und ist in der Fachzeitschrift „Ecological Applications“ veröffentlicht.

Der Aufsatz steht hier zum Download zur Verfügung: https://esajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/eap.2513

Weltweit wird eine große Anzahl von Fledermäusen durch Windkraftanlagen getötet, doch die spezifischen demografischen Folgen der Mortalität durch Windkraftanlagen sind noch unklar. In dieser Studie haben wir die Merkmale der an Windkraftanlagen getöteten Nathusius-Pipistrellus (Pipistrellus nathusii) (N = 119) mit denen der lebenden Population (N = 524) während der Sommermigration in Deutschland verglichen.

Mit Hilfe eines Modells mit verallgemeinerten linearen gemischten Effekten wurden die demografischen Gruppen ermittelt, die am stärksten durch die Mortalität an Windkraftanlagen gefährdet sind, einschließlich Geschlecht, Alter (adulte oder juvenile Tiere) und geografische Herkunft (regionaler oder Langstreckenzieher; dargestellt anhand des Verhältnisses der stabilen Wasserstoffisotope im Fell). Jungtiere trugen mit einem höheren Anteil an Schlagopfern an Windkraftanlagen bei, als angesichts ihrer Häufigkeit in der lebenden Population zu erwarten war, was darauf hindeutet, dass junge Fledermäuse durch die Sterblichkeit an Windkraftanlagen besonders gefährdet sein könnten.

Dieser Effekt variierte mit der Dichte der Windkraftanlagen. Insbesondere bei niedrigen Windkraftanlagendichten, hauptsächlich im Binnenland mit Gewässern und Wäldern, in denen Rauhautfledermäuse reproduzieren, wurden Jungtiere häufiger tot unter den Turbinen gefunden als aufgrund ihrer Häufigkeit in der lebenden Population erwartet.

In Gebieten mit hoher Windkraftanlagendichte, hauptsächlich an Küstenregionen, an denen Rauhautfledermäuse ziehen, waren Adulte und Jungtiere gleichermaßen gefährdet. Wir fanden bei keinem der beiden Geschlechter Hinweise auf eine erhöhte Gefährdung durch Windkraftanlagen, beobachteten jedoch sowohl bei den Schlagopfern als auch in der lebenden Population einen höheren Anteil an Weibchen als an Männchen, was auf einen weiblichen Anteil in der lebenden Population hindeuten könnte, der höchstwahrscheinlich durch Weibchen verursacht wird, die aus ihren nordöstlichen Reproduktionsgebieten nach und durch Deutschland wandern.

Eine hohe Sterblichkeit von Weibchen ist für diese wandernde Fledermausart von Bedeutung, da sie die jährliche Reproduktionsrate der Populationen beeinträchtigt. Eine unverhältnismäßig hohe Gefährdung von Jungtieren an Windkraftanlagen kann die Reproduktion von Jungtieren verringern, was die Widerstandsfähigkeit von Rauhautfledermäusen gegenüber Umweltstressoren wie Klimawandel oder Lebensraumverlust einschränken kann. Maßnahmen zur Reduzierung der Mortalität von Windenergieanlagen, wie z. B. höhere Abschaltgeschwindigkeiten (Cut in), sollten in ganz Europa eingeführt werden, um einen Rückgang der Populationen von Rauhautfledermäusen und anderen wandernden Fledermausarten zu verhindern.

Call Now Button