Zählen im Dunkeln: Populationsgröße und Bestandsentwicklung mit Hilfe von Lichtschranken im Winterquartier abschätzen

Genaue Populationsschätzungen sind für die Entwicklung einer erfolgreichen Naturschutzpolitik von entscheidender Bedeutung, aber die zugrundeliegenden Daten sind für viele Arten nach wie vor schwer zu erheben. Dies gilt insbesondere für schwer fassbare Arten wie Fledermäuse der gemäßigten Zonen, deren Population durch visuelle Zählungen in den Winterquartieren in einem unbekannten Ausmaß unterschätzt wird. Infrarot-Lichtschranken, die alle ein- und ausfliegenden Fledermäuse am Eingang eines Winterquartiers zählen, könnten eine genauere Alternative für die Bestandserfassung von Fledermäusen darstellen.

Wir haben Infrarot-Videoaufnahmen verwendet, um die Genauigkeit der Lichtschranken (d. h. die Übereinstimmung zwischen Lichtschranke und Videoregistrierung der Ein- und Ausflüge) an fünf Winterschlafplätzen über einen Zeitraum von 30 Wochen im Herbst und Frühjahr zu ermitteln. Anschließend entwickelten wir eine standardisierte Methode zur Schätzung der Populationsgröße auf der Grundlage der Anzahl der im Frühjahr ausfliegenden Fledermäuse und verglichen diese Schätzungen mit visuellen Zählungen an 12 Standorten.

Schließlich berechneten wir Konfidenzintervalle um die geschätzten Populationsgrößen und nutzten diese zur Bewertung von Populationstrends anhand von Lichtschranken-Datensätzen aus sechs Jahren von vier Standorten. Die Genauigkeit der Lichtschranken variierte in Abhängigkeit vom Modell und dem präzisen Installationspunkt, wobei die beste Kombination eine nahezu perfekte Genauigkeit über die gesamte Phase der Abwanderung aus dem Winterquartier ergab.

Im Vergleich zu den sich daraus ergebenden lichtschrankenbasierten Populationsschätzungen unterschätzten die Winterquartierzählungen die Gesamtpopulation deutlich, wobei an den komplexesten Standorten weniger als 10 % der Fledermäuse erfasst wurden. Darüber hinaus zeigten die auf Lichtschranken basierenden Populationstrends regionale Zu- und Abnahmemuster, die bei den visuellen Zählungen nicht erkennbar waren.

Diese Studie zeigt, dass Lichtschranken die Populationsgröße und -entwicklung von Fledermausbeständen mit beispielloser Genauigkeit abschätzen können, selbst an großen, komplexen oder unzugänglichen Überwinterungsquartieren, die mit visuellen Zählungen nicht genau erfasst werden können. Die Installation von Lichtschranken an einem repräsentativen Netz von Standorten, an denen keine groß angelegten Veränderungen am Eingang erforderlich sind, hat das Potenzial, die Bestandsüberwachung von Fledermäusen zu revolutionieren und zum datengestützten Naturschutz beizutragen.

Lesen Sie hier die Publikation: https://doi.org/10.1111/acv.12856

 

Publikation:
Counting in the dark: estimating population size and trends of bat assemblages at hibernacula using infrared light barriers

G. Krivek, E. P. N. Mahecha, F. Meier, G. Kerth, J. van Schaik
First published: 13 February 2023
https://doi.org/10.1111/acv.12856

Gefährdung von Amphibien durch Winterquartierkontrollen?

Die Winterquartierkontrollen sind wieder voll im Gange. Jedes Jahr machen sich viele Fledermausschützer auf, um in den Winterquartierhabitaten, in Höhlen und Stollen, die überwinternden Fledermäuse zu zählen. Dabei betreten wir aber nicht nur den Lebensraum der Fledermäuse, sondern auch anderer Arten, die in den kühlen und feuchten unterirdischen Strukturen den Winter verbringen. Eine bestimmte Art fällt uns dabei regelmäßig aufgrund ihrer auffälligen Färbung auf: der Feuersalamander.

Schnell sind die Exemplare auf die Hand genommen, Fotos gemacht, bevor die Fledermauskontrollen im nächsten Quartier fortgesetzt werden. Ein eigentlich unbedenklicher Vorgang, meinen wir vielleicht. Aber Feuersalamander haben ein riesen Problem!

Seit vielen Jahren fallen Amphibien in der ganzen Welt dem Chytridpilz Batrachochytridium dendrobatidis zum Opfer. Dieser Pilz, der aus den asiatischen Tropen stammt, befällt die Haut vor allem von Froschluchen, verstopft deren Poren und lässt die Hautatmer ersticken. Weltweit hat B. dendrobatidis (kurz: Bd) bereits zahlreiche Amphibienarten ausgerottet – allein in Panama mindestens 40 Prozent aller Froschspezies. Mehr als 700 Arten sind weltweit von der Epidemie betroffen.

Seit 2013 ist nun ein weiterer Pilz der Gattung Batrachochytridium bekannt, der ausschließlich Schwanzlurche, Salamander und Molche, befällt (Martel et al. 2013, PNAS). Dieser Pilz, Batrachochytridium salamandrivorens (kurz: Bsal, übersetzt: „Salamanderfresser“) wird für ein erhebliches Feuersalamandersterben in Zuid-Limburg (Niederlande) in 2008 und in den Ardennen (Belgien) in 2014 verantwortlich gemacht. In den Niederlanden ist die gesamte Population seither rapide zurückgegangen.

Martel und Kollegen beschreiben in ihrem Artikel aus 2014 (Martel et al. 2014, Science) die hohe Infektionsrate und die hohen Verlustraten unter heimischen Feuersalamandern. Der Pilz stammt aus dem tropischen Asien und wurde wahrscheinlich mit exotischen Salamanderarten eingeschleppt. Bsal gedeiht zwischen 10 und 15°C und zeigt damit ein niedrigeres Temperaturoptimum als bei den bisher bekannten Chytridpilz (Bd: 17-25°C) (Blooi et al. 2015, Scientific Reports). Daher ist davon auszugehen, dass Bsal besser mit den europäischen Klimabedingungen zurechtkommt und ein höheres Ausbreitungspotenzial hat als Bd. Bsal befällt die Haut der Salamander und führt zu deutlich sichtbaren Läsionen bis hin zu Löchern. Wie bei Bd führt der Befall zu einem Versagen der Hautatmung und damit zum Erstickungstod der Tiere. Aber auch Sekundärinfektionen aufgrund der geschädigten Haut können zum Tode der Tiere führen.

Insgesamt stellt der neu entdeckte Chytridpilz eine sehr ernst zunehmende Bedrohung für Feuersalamander, Berg- und Teichmolche dar.

Da Deutschland im Zentrum des Verbreitungsgebietes des Feuersalamanders (Salamandra salamandra) liegt und einen nennenswerten Anteil der weltweiten Verbreitung beherbergt, tragen wir in Deutschland eine hohe nationale Verantwortung für die Art.

Die Ausbreitung des „Salamanderfresser-Pilzes“ in Deutschland wird jetzt in einem Verbundprojekt erforscht. Zugleich werden im Projekt auch Maßnahmen zur Eindämmung seiner Ausbreitung erarbeitet. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) fördert das gemeinsame Vorhaben der Universitäten Trier und Braunschweig und der Biologischen Stationen der Städteregion Aachen und des Kreises Düren (https://www.bfn.de/presse/pressearchiv/2018/detailseite.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=6241&cHash=d6a30692334c739fa3bf9c55349b2619).

Auch bei den regelmäßigen Kontrollen der Fledermauswinterquartiere, die häufig in den Überwinterungslebensräumen der Feuersalamander stattfinden, können Sporen des Pilzes verbreitet werden. Zudem kann der direkte Kontakt mit Feuersalamandern zu einer Infektion der Tiere führen.

Daher sind auch die Fledermausschützer gefragt, ihre Hygienestandards zu überdenken und das möglichste zu tun, eine weitere Verbreitung des Pilzes zu verlangsamen. Dazu hat die Universität Trier folgende Handlungsempfehlungen herausgegeben:

  • Bsal entwickelt auch widerstandsfähige Dauerstadien, so dass ein Durchtrocknen vermutlich nicht ausreicht. Eine sichere Maßnahme ist damit nach der gründlichen Reinigung (Bodenreste!) die Behandlung mit einem Pilzmittel wie Virkon S. Sowohl durch Bodenreste (z. B. im Profil von Schuhen) als auch durch Wasser/Feuchtigkeit (etwa an Geräten, Schuhen) kann der Pilz verbreitet werden.
  • vor einem Wechsel zwischen zwei Gewässern (bzw. hier: zwischen zwei möglichen Überwinterungslebensräumen) immer die Stiefel/Wanderschuhe sowie Geräte (z. B. Kescher, Fallen) wechseln oder mit geeignetem Mittel (z. B. Virkon S) nach gründlicher Reinigung mit Wasser desinfizieren
  • Stiefel und Geräte immer nach Gebrauch mit Wasser gründlich reinigen und anschließend gut durchtrocknen lassen

 

Weitere Informationen:

Hygieneprotokoll und Praxistipps zur Verhinderung der Übertragung von Krankheitserregern v.a. Batrachochytrium salamandrivorans (Bsal), Batrachochytrium dendrobatidis (Bd), Ranavirus zwischen Amphibienpopulationen

Ausbreitung der Salamanderpest in Nordrhein-Westfalen (Natur in  NRW, Heft 4/18)

https://www.bfn.de/infothek/daten-fakten/zustand-der-natur/tiere-pflanzen-und-pilze/ii-11-3-verbreitung-feuersalamanders-in-dl.html

http://www.bs-aachen.de/de/artenschutz/salamander-pilz/

http://www.amphibia.be/downloads/PNAS_2013.pdf

https://www.lanuv.nrw.de/landesamt/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/

http://www.herpetofauna-nrw.de/downloads/pathogene-bei-amphibien.pdf

 

Dr. Frauke Krüger
für den LFA Fledermausschutz NRW

Call Now Button