Zählen im Dunkeln: Populationsgröße und Bestandsentwicklung mit Hilfe von Lichtschranken im Winterquartier abschätzen

Genaue Populationsschätzungen sind für die Entwicklung einer erfolgreichen Naturschutzpolitik von entscheidender Bedeutung, aber die zugrundeliegenden Daten sind für viele Arten nach wie vor schwer zu erheben. Dies gilt insbesondere für schwer fassbare Arten wie Fledermäuse der gemäßigten Zonen, deren Population durch visuelle Zählungen in den Winterquartieren in einem unbekannten Ausmaß unterschätzt wird. Infrarot-Lichtschranken, die alle ein- und ausfliegenden Fledermäuse am Eingang eines Winterquartiers zählen, könnten eine genauere Alternative für die Bestandserfassung von Fledermäusen darstellen.

Wir haben Infrarot-Videoaufnahmen verwendet, um die Genauigkeit der Lichtschranken (d. h. die Übereinstimmung zwischen Lichtschranke und Videoregistrierung der Ein- und Ausflüge) an fünf Winterschlafplätzen über einen Zeitraum von 30 Wochen im Herbst und Frühjahr zu ermitteln. Anschließend entwickelten wir eine standardisierte Methode zur Schätzung der Populationsgröße auf der Grundlage der Anzahl der im Frühjahr ausfliegenden Fledermäuse und verglichen diese Schätzungen mit visuellen Zählungen an 12 Standorten.

Schließlich berechneten wir Konfidenzintervalle um die geschätzten Populationsgrößen und nutzten diese zur Bewertung von Populationstrends anhand von Lichtschranken-Datensätzen aus sechs Jahren von vier Standorten. Die Genauigkeit der Lichtschranken variierte in Abhängigkeit vom Modell und dem präzisen Installationspunkt, wobei die beste Kombination eine nahezu perfekte Genauigkeit über die gesamte Phase der Abwanderung aus dem Winterquartier ergab.

Im Vergleich zu den sich daraus ergebenden lichtschrankenbasierten Populationsschätzungen unterschätzten die Winterquartierzählungen die Gesamtpopulation deutlich, wobei an den komplexesten Standorten weniger als 10 % der Fledermäuse erfasst wurden. Darüber hinaus zeigten die auf Lichtschranken basierenden Populationstrends regionale Zu- und Abnahmemuster, die bei den visuellen Zählungen nicht erkennbar waren.

Diese Studie zeigt, dass Lichtschranken die Populationsgröße und -entwicklung von Fledermausbeständen mit beispielloser Genauigkeit abschätzen können, selbst an großen, komplexen oder unzugänglichen Überwinterungsquartieren, die mit visuellen Zählungen nicht genau erfasst werden können. Die Installation von Lichtschranken an einem repräsentativen Netz von Standorten, an denen keine groß angelegten Veränderungen am Eingang erforderlich sind, hat das Potenzial, die Bestandsüberwachung von Fledermäusen zu revolutionieren und zum datengestützten Naturschutz beizutragen.

Lesen Sie hier die Publikation: https://doi.org/10.1111/acv.12856

 

Publikation:
Counting in the dark: estimating population size and trends of bat assemblages at hibernacula using infrared light barriers

G. Krivek, E. P. N. Mahecha, F. Meier, G. Kerth, J. van Schaik
First published: 13 February 2023
https://doi.org/10.1111/acv.12856

Worin unterscheidet sich eine Stadtfledermaus von einer Landfledermaus?

Manche Fledermausarten kommen eher in Städten als auf dem Land vor. Ein Wissenschaftsteam der Freien Universität Berlin, der Universität Greifswald, dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchte nun, welche Merkmale typisch für Fledermäuse des städtischen und ländlichen Raums sind. Das Team fand heraus, dass sich stadtaffine Fledermausarten durch niedrige Ruffrequenzen und relativ lange Rufdauern ihrer Echoortung, eine geringe Körpergröße und eine Flexibilität bei der Wahl des Tagesquartieres auszeichnen. Die zunehmende Urbanisierung des ländlichen Raums könnte diese Arten begünstigen, während relativ große Arten mit hoher Ruffrequenz und kurzen Rufdauern sowie spezifischer Quartierwahl ins Hintertreffen geraten könnten, argumentiert das Autorenteam in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“.

Städte sind für viele Wildtiere Extremstandorte mit höheren Umgebungstemperaturen als im direkten Umland und einer Vielzahl von durch den Menschen verursachten Störungen. Gleichzeitig bieten Städte auch viel Potenzial für Wildtiere, etwa bei der Suche eines Quartieres oder durch ein erweitertes Nahrungsangebot. So nutzen einige Fledermausarten bevorzugt Quartiere an oder in Gebäuden, beispielsweise auf nicht genutzten Dachböden, in Kellern oder in leerstehenden Häusern. Einige Fledermausarten erreichen in Städten besonders hohe Populationsdichten, während sie in ländlichen Räumen eher selten sind. Was macht aber eine Stadtfledermaus zu einer Stadtfledermaus, und eine Landfledermaus zu einer Landfledermaus? In welchen Merkmalen unterscheiden sich die stadtbewohnenden von den landbewohnenden Arten?

Anhand mehrerer Indizes untersuchten wir eine globale Datenbank von Fledermausarten hinsichtlich ihrer räumlichen Nähe zu städtischen Gebieten und leiteten daraus einen Wert für die Stadtaffinität jeder Art ab“, erklärt Erstautor Janis Wolf, aus dessen Masterarbeit in der Arbeitsgruppe von Prof. Jonathan Jeschke an der Freien Universität Berlin und dem IGB diese Publikation entstanden ist und der nun an der Universität Greifswald promoviert. „Wir nutzten verschiedene Indikatoren, um stadtaffine von weniger stadtaffinen Arten zu differenzieren. Anschließend analysierten wir, welche Merkmale der Arten – zum Beispiel die durchschnittliche Körpergröße, die Flügelform, die Frequenz ihrer Echoortungsrufe oder die Flexibilität bei der Wahl des Schlafplatzes – mit der jeweiligen Raumpräferenz und Lebensweise korrelieren.

Basierend auf den Merkmalen und Raumdaten von 356 weltweit verbreiteten Fledermausarten (ein Viertel der 1.400 Fledermausarten auf unserem Planeten) ermittelte das Team, ob die jeweilige Art eher im städtischen oder eher im ländlichen Raum ihren Verbreitungsschwerpunkt hat. „Natürlich lagen die meisten Fledermausarten entlang eines Kontinuums, das reine stadtbewohnende Fledermausarten von jenen unterschied, die eher im ländlichen Gebieten wohnten“, erläutert PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Wir stellen fest, dass besonders kleine Fledermausarten, und solche deren Echoortungsrufe relativ niedrigfrequent und lang waren, besonders häufig in Städten vorkommen“, so Voigt. Eine flexible Quartierwahl scheint ebenso vorteilhaft zu sein, da dies stadtbewohnenden Fledermäusen erlaubt, bei Störungen durch den Menschen kurzfristig zwischen verschiedenen Quartierstypen zu wechseln.

Im Rahmen ihrer Studie verwendete das Team verschiedene Indikatoren zur Beschreibung der Affinität von Fledermäusen für städtische Umgebungen. „Nachdem wir mehrere methodische Ansätze zur Quantifizierung der Stadtaffinität von Arten getestet hatten, stellten wir fest, dass die einfacheren Indizes ebenso gut waren wie die komplexeren. In der Praxis sollten die einfacheren Indizes daher die bevorzugte Wahl für künftige Studien sein„, schließt Dr. Yuval Itescu vom IGB und der Freien Universität Berlin. Damit ist es nun möglich, die entsprechenden Indizes für die urbane Affinität auch auf andere Tiergruppen anzuwenden. Die Autoren argumentieren, dass die Identifizierung von Merkmalen, die erfolgreiche und weniger erfolgreiche Stadtbewohner kennzeichnen, nützlich sein kann, um diejenigen Arten zu identifizieren, die durch den weltweit rasch fortschreitenden Urbanisierungsprozess besonders bedroht sind. Solche Arten können anschließend für Schutzmaßnahmen priorisiert werden.

Publikation

Wolf JM, Jeschke JM, Voigt CC, Itescu, Y (2022): Urban affinity and its associated traits: a global analysis of bats. Global Change Biology. https://doi.org/10.1111/gcb.16320

Die Klangwelt des Schwärmens

Machbarkeitsstudie für eine nicht-invasive akustische Artbestimmung von schwärmenden Myotis-Fledermäusen

Fledermäuse senden Echoortungsrufe aus, um sich in ihrer überwiegend dunklen Umgebung zu orientieren. Die Aufzeichnung artspezifischer Rufe kann die Identifizierung von Arten erleichtern, insbesondere dann, wenn die Verwendung von Fangnetzen nicht möglich ist. Einige Arten, wie z. B. Myotis-Fledermäuse, können jedoch akustisch schwer zu unterscheiden sein. In stark frequentierten Situationen, in denen sich die Rufe vieler Individuen überschneiden, werden die feinen Unterschiede zwischen den Arten zusätzlich gemindert.

Wir haben versucht, die Phänologie von Myotis-Fledermäusen während des herbstlichen Schwärmens in einem bekannten Überwinterungsquartier nicht invasiv zu untersuchen. Dazu haben wir in Nächten mit hoher Schwarmaktivität Sequenzen sich überlappender Echoortungsrufe (N = 564) aufgezeichnet und spektrale Parameter (Spitzenfrequenz, Startfrequenz, spektraler Schwerpunkt) sowie lineare Frequenz-Cepstral-Koeffizienten (LFCCs) extrahiert, die zusätzlich die Klangfarbe der Rufe umfassen. Wir verwendeten diese Parameterkombination in einer schrittweisen diskriminanten Funktionsanalyse (DFA), um die Rufsequenzen auf Artniveau zu klassifizieren. Ein Satz zuvor identifizierter Rufsequenzen von einzeln fliegenden Myotis daubentonii und Myotis nattereri, den häufigsten Arten an unserem Untersuchungsort, diente als Trainingssatz für die DFA. 90,2 % der Rufsequenzen konnten entweder M. daubentonii oder M. nattereri zugeordnet werden, was darauf hindeutet, dass es sich um die zum Zeitpunkt der Aufzeichnung überwiegend schwärmenden Arten handelt.

Wir haben unsere Ergebnisse überprüft, indem wir den zweiten Satz zuvor identifizierter Rufsequenzen mit einer Genauigkeit von 100 % korrekt klassifiziert haben. Darüber hinaus stimmt unsere akustische Artenklassifizierung gut mit dem vorhandenen Wissen über die Schwarm-Phänologie im Winterquartier überein. Außerdem konnten wir Rufsequenzen aus einem anderen Winterquartier erfolgreich auf Artniveau klassifizieren und unsere Klassifizierungsergebnisse verifizieren, indem wir schwärmende Fledermäuse während der Aufnahme gefangen haben.

Unsere Ergebnisse liefern den Beweis für ein neues, nicht-invasives akustisches Überwachungsverfahren, das „Schwarmklanglandschaften“ durch die Kombination klassischer akustischer Parameter und LFCCs analysiert, anstatt einzelne Rufe zu analysieren. Unser Ansatz zur Artenbestimmung ist besonders in Situationen mit mehreren rufenden Individuen von Vorteil, wie z. B. beim Schwärmen im Herbst.

 

The soundscape of swarming: Proof of concept for a noninvasive acoustic species identification of swarming Myotis bats
Anja BergmannLara S. BurchardtBernadette WimmerKarl KugelschafterFlorian Gloza-RauschMirjam Knörnschild

First published: 14 November 2022

Modellierung der Wirksamkeit der akustischen Überwachung zur Vorhersage von Schlagopfern in Windkraftanlagen

Weltweit werden eine Vielzahl von Fledermäusen an Windkraftanlagen getötet. Um Vermeidungsmaßnahmen wie z. B. die Einschränkung der Nutzung von Windenergieanlagen zu formulieren, setzen neuere Ansätze die akustische Aktivität von Fledermäusen in der Umgebung von Referenzanlagen mit den Todesfällen in Beziehung, um die Todesraten an Anlagen zu extrapolieren, an denen nur akustische Untersuchungen durchgeführt werden. Hier haben wir modelliert, wie empfindlich dieser Ansatz ist, wenn die räumliche Verteilung von Fledermäusen innerhalb der Rotorfläche variiert und wenn sich der Erfassungsbereich der akustischen Überwachung verschlechtert, z. B. mit zunehmender Turbinengröße.

Die Vorhersagekraft der akustischen Erfassungen war bei gleichmäßiger oder zufälliger Verteilung der Fledermäuse hoch. Eine Konzentration von Fledermausdurchflügen um die Gondel oder im unteren Teil der Risikozone führte zu einer Überschätzung der Fledermausaktivität, wenn die Ultraschallmikrofone nach unten auf die Gondel gerichtet waren. Umgekehrt führte eine Konzentration von Fledermausflügen am Rand oder im oberen Teil der Gefahrenzone zu einer Unterschätzung der Fledermausaktivität.

Diese Effekte nahmen zu, je geringer die Reichweite der akustischen Überwachung war. Ohne Kenntnis der räumlichen Verteilung der Fledermäuse stimmen die hochgerechneten Todesraten nicht unbedingt mit den realen Bedingungen überein, insbesondere wenn die Risikozone durch die akustische Überwachung nur unzureichend abgedeckt ist, wenn die räumliche Verteilung schief ist, wenn die Turbinen groß sind oder die Häufigkeit der echoortenden Fledermäuse hoch ist.

Wir argumentieren, dass die Vorhersagekraft akustischer Erhebungen bei nicht zufälligen oder ungleichmäßigen Verteilungen ausreichend ist, wenn sie durch Suche von Schlagopfern und ergänzende Studien über die räumliche Verteilung von Fledermäusen an Turbinen validiert wird.

Christian C. Voigt, Cedric Scherer, Volker Runkel
First published: 10 November 2022
Quelle: https://doi.org/10.1111/csp2.12841

Funding information: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Grant/Award Number: 491292795; Open Access Fund of the Leibniz-Gemeinschaft; IZW

Networking unter Fledermäusen – Gemeinsame Nahrungssuche führt schneller zum Erfolg

Soziale Jagdstrategien sind bereits bei vielen Tierarten, deren Beute sich unvorhersehbar in der Landschaft verteilt, gut dokumentiert. In einer neuen Forschungsarbeit weisen Manuel Roeleke und sein Team von der Universität Potsdam und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) nun erstmalig nach, dass sich Tiere – in diesem Fall die Fledermausart Großer Abendsegler –zu einem mobilen sensorischen Netzwerk zusammenschließen, um gemeinsam ihre Chancen auf Beutefang zu erhöhen. Die heute in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichten Untersuchungen belegen, dass Beutegreifer durch flexible Jagdstrategien in der Lage sind, sich über eine Vernetzung mit Artgenossen unterschiedlichen Umweltbedingungen anzupassen.

Viele Beutegreifer müssen täglich ihre Nahrung finden. Ist die Beute unregelmäßig in der Landschaft verteilt und nur für kurze Zeit verfügbar, erscheint diese Aufgabe wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Tiere, die von solch unvorhersehbaren Beutevorkommen abhängen, haben daher oft soziale Strategien zur Nahrungssuche entwickelt: Während der Suche stehen die Tiere miteinander in Kontakt und tauschen Informationen über ihre Umwelt aus. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Potsdam und des Leibniz-IZW beobachtete nun erstmals, dass sich Fledermäuse der Art Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) während der Nahrungssuche zeitweise zu mobilen, sensorischen Netzwerken zusammenschließen. „Der Große Abendsegler eignet sich besonders gut für derartige Untersuchungen, denn seine Beute – Insektenschwärme – verteilt sich völlig unvorhersehbar im offenen Luftraum“, erklärt der leitende Autor des Aufsatzes, Manuel Roeleke. „Zudem ist die Distanz, über welche die Fledermäuse die Insekten per Ultraschall orten können, mit etwa 10 -15 Metern relativ klein. Das erschwert ihnen das Aufspüren ihrer Beute. Dahingegen nehmen die Tiere ihre eigenen Artgenossen über sehr viel größere Entfernungen, im Idealfall bis zu 160 Meter, wahr. Die Suche in der Gruppe sollte demnach einfacher sein.“

Insgesamt untersuchten die Forschenden die Flugmuster von 81 Fledermäusen. Möglich wurde das durch kleine Radiosender, die Signale an einen Verbund von Antennen senden. Florian Jeltsch von der Universität Potsdam erklärt: „Mit dem hochmodernen ‚ATLAS‘-System können wir die Bewegung dutzender Tiere zeitgleich aufnehmen. Dank der großartigen Unterstützung lokaler Landwirte und Privatpersonen können wir die Tracking-Technologie seit 2018 in der Uckermark betreiben – eine einzigartige Chance, um Tierbewegungen und Artenvielfalt in der europäischen Kulturlandschaft zu erforschen.“ Sein Kollege Christian Voigt vom Leibniz-IZW ergänzt: „Mit dem ‚ATLAS‘-System ist es nun möglich, die Interaktionen von Fledermäusen im Flug aufzunehmen. Unsere Daten konnten die Theorie der mobilen sensorischen Netzwerke bestätigen: Während der Insektensuche fächern sich die Fledermäuse auf, bleiben aber akustisch in Kontakt und passen falls nötig ihre Flugbahnen einander an, um ein möglichst großes Gebiet absuchen zu können.“ Findet ein Tier im Netzwerk also einen Schwarm Beuteinsekten, bekommen das die Nachbarn über Veränderungen in den Flugbewegungen und anhand speziell zur Insektenjagd genutzter Ultraschallrufe mit, wodurch nach und nach alle Tiere im sensorischen Netzwerk auf das lohnende Jagdgebiet aufmerksam werden.

Das Forschungsteam verglich die Effizienz der Nahrungssuche von „vernetzten“ Fledermäusen mit der von Einzeljägern in Abhängigkeit von Gruppengröße und Nahrungsverteilung. Dafür nutzten sie ein von Mitautorin Cara Gallagher entwickeltes Computermodell, welches auf den empirisch ermittelten Bewegungsmustern basiert. „Sich zu vernetzen und auszutauschen, erwies sich für die Fledermäuse besonders sinnvoll, wenn die Nahrungsquellen räumlich weit verteilt waren“, erklärt Roeleke. „So zeigt unser Modell, dass ‚vernetzte‘ Tiere 40% weniger Zeit brauchten um Beute aufzuspüren als Fledermäuse, die ihre Artgenossen während der Jagd ignorierten.“ Durch die Jagd in der Gruppe können die Fledermäuse auch in großräumigen Kulturlandschaften Beute finden und tragen dabei effektiv zur Kontrolle landwirtschaftlicher „Schad“insekten bei. Dazu ist aber ein konsequenter Schutz dieser Tiere und ihrer Quartierverbünde notwendig. Wird die lokale Population zu klein, ist es den Tieren nicht mehr möglich, effiziente Netzwerke zu bilden. Als Einzelgängern fällt es den Tieren dann schwer, schnell und zuverlässig Nahrung zu finden.
Publikation

Roeleke M, Schlägel UE, Gallagher C, Pufelski J, Blohm T, Nathan R, Toledo S, Jeltsch F, Voigt CC (2022): Insectivorous bats form mobile sensory networks to optimize prey localization: the case of the common noctule bat. PNAS 119 (33) e2203663119. DOI: 10.1073/pnas.2203663119

Quelle: https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/networking-unter-fledermaeusen-gemeinsame-nahrungssuche-fuehrt-schneller-zum-erfolg.html

Beachtung von Fledermäusen beim Ausbau der Windenergie

Fachpapier des Bundesfachausschuss (BFA) Fledermäuse im NABU:
Beachtung von Fledermäusen beim weiteren Ausbau der Windenergie

Die öffentliche Debatte um den Windenergieausbau fokussiert aktuell in erster Linie auf den Konflikt zwischen Windenergieanlagen (WEA) und Vögeln. Die Konfliktlagen, die mit anderen Tiergruppen bestehen, werden in der Debatte weitestgehend ausgeblendet. Im Falle von Fledermäusen liegt dies vermutlich an der Annahme, mit Hilfe technischer Minimierungsmaßnahmen wie der Abschaltung von WEA seien die Konflikte in diesem Spannungsfeld gelöst. Dies ist allerdings ein Irrtum. Hinsichtlich des Fledermausschutzes werden in Deutschland einige artenschutzrechtlich bedenkliche Praktiken im Rahmen von Genehmigungsverfahren von WEA umgesetzt, die einer ökologisch nachhaltigen Energiewende widersprechen.

Es ist unbestritten, dass der Ausbau der Windenergie im Ganzen als Teil der Energiewende dem Klimaschutz dient. Biodiversitäts- und Klimakrise sind aber zwei Krisen, die in ihrer ökologischen und gesellschaftlichen Bedeutung als gleichwertig zu behandeln sind. Die Klimakrise fördert zwar das globale Artensterben, die Hauptursache für die Biodiversitätskrise liegt aber in den von Menschen bewirkten weltweiten Landnutzungsänderungen. Da Klimaerwärmung und Biodiversitätskrise unterschiedliche Hauptursachen haben, sind die Ansätze zu deren Bekämpfung unterschiedlich. Genauso wie Naturschutz dem Klimaschutz dient, hilft ökologisch nachhaltiger Klimaschutz auch dem Naturschutz. Klimaschutz kann jedoch wirksamen Artenschutz nicht ersetzen. Im Falle der Fledermäuse ist es unklar, welche Auswirkungen der Klimawandel auf einheimischen Arten haben wird. Der Ausbau der Windenergie ist somit zwar als Klimaschutzmaßnahme zu werten, nicht aber als wichtigste Maßnahme zum Schutz von Fledermäusen oder gar der globalen Biodiversität, wie das regelmäßig in Diskussionen angeführt wird.

Der Zielkonflikt zwischen Naturschutz und Klimaschutz ist bei Planungen von WEA anzuerkennen. Er kann nur dann aufgelöst werden, wenn beiden Zielen gleichwertiger Raum gegeben wird. Auf Grund biologischer Besonderheiten und des hohen Schutzstatus der Fledermäuse besteht die Notwendigkeit einer umfangreichen Berücksichtigung von Fledermäusen bei der Planung und dem Betrieb von WEA. Das folgende Papier soll einige der Konfliktfelder aufführen und Lösungsansätze wiedergeben.

Download: 220410_Standpunkt_BFA-Fledermaeuse_Beachtung-von-Fledermaeusen-beim-weiteren-Ausbau-der-Windenergie

Radler brauchen Licht, Fledermäuse die Dunkelheit

Ist ein adaptives Beleuchtungskonzept für Fahrradwege die Lösung?

egionale Fahrradwege außerhalb größerer Siedlungen gewinnen für eine umweltschonende Mobilität immer stärker an Bedeutung. Die Beleuchtung der Radwege bei Nacht erhöht die Sicherheit der Radfahrenden, stört jedoch zugleich geschützte Fledermausarten. Ein neues, im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördertes Projekt sucht nach Lösungen: Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersuchen in Kooperation mit der Stadt Münster, ob ein dynamisches Beleuchtungskonzept, welches nur bei Anwesenheit von Radfahrenden die Wege beleuchtet, den negativen Einfluss auf Fledermäuse reduzieren kann.

Außerhalb des Siedlungsbereichs führen Radwege oftmals durch Gebiete, die bei Nacht unbeleuchtet sind, unter anderem weil künstliches Licht an derartigen Standorten Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum stört. Da eine Beleuchtung jedoch die Fahrsicherheit deutlich erhöht, braucht es alternative Beleuchtungskonzepte, die sich bedarfsabhängig nur für die Dauer der Anwesenheit von Radfahrenden anschalten. Es ist bislang unbekannt, wie sich derartige adaptive, dynamische Beleuchtungskonzepte auf geschützte Tiere wie Fledermäuse auswirken – im Vergleich mit einem unbeleuchteten und mit einem dauerhaft beleuchteten Fahrradweg.

„Fledermäuse reagieren sensibel auf künstliche Beleuchtung, dies ist vor allem in städtischen Kontexten vielfach nachgewiesen worden“, sagt Projektleiter PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Zugleich sind Fledermäuse nach nationalem, EU- und UN-Recht streng geschützt, beispielsweise durch §7 des Bundesnaturschutzgesetzes, durch die EU Fauna-Flora-Habitat Richtlinie 92/43/EWG und die UN-Konvention zum Schutz migrierender Arten. Es besteht daher die Pflicht, Lebensräume von Fledermäusen zu schützen und für eine positive Bestandsentwicklung zu sorgen.“ Im neuen Projekt „Entwicklung eines FLEdermausfreundlichen adaptiven BEleuchtungskonzepts für FAhrradwege“ (FLEBEFA) soll bei der Etablierung eines kontextabhängigen Lichtmanagements entlang eines regionalen Fahrradwegs am Dortmund-Ems-Kanals erforscht werden, welchen Einfluss die künstliche Beleuchtung auf geschützte Fledermäuse hat. Dabei untersuchen Voigt und sein Team über ein akustisches Monitoring sowie über Bewegungsanalysen das Antwortverhalten der Fledermäuse auf das An- und Abschalten der LED-Beleuchtung.

„Ein bedarfsabhängiges Lichtmanagement bietet gegenüber den konventionellen Systemen den Vorteil, dass eine Störung nachtaktiver Tiere hoffentlich minimiert und gleichzeitig Energie eingespart wird“, sagt Voigt. „Es ist jedoch unbekannt, wie Fledermäuse auf ein adaptives Lichtmanagement reagieren.“ Die Ergebnisse des FLEBEFA-Projekts sollen dies ändern: Die Auswertung der akustischen Aktivität sowie der Bewegungsmuster soll das Antwortverhalten der lokalen Fledermausarten auf die adaptive Beleuchtung beschreiben. Es soll der zeitliche Bezug des Antwortverhaltens auf das An- und Abschaltereignis erfasst werden, um hierüber die Anschaltung aus Sicht des Fledermausschutzes unter Berücksichtigung der Sicherheitsaspekte für Radfahrende zu optimieren. Das Modellprojekt einer fledermausfreundlichen adaptiven Beleuchtung soll es ermöglichen, an anderen Standorten ein ähnliches Lichtmanagement zu etablieren. Das Projekt FLEBEFA startete im Mai 2022 und wird über eine Laufzeit von 11 Monaten vom BMDV gefördert.

Über das Förderprogramm mFUND des BMDV

Im Rahmen des Förderprogramms mFUND unterstützt das BMDV seit 2016 Forschungs- und Entwicklungsprojekte rund um datenbasierte digitale Innovationen für die Mobilität 4.0. Die Projektförderung wird durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung ergänzt. Auf dem Portal mCLOUD werden öffentlich verfügbare Daten bereitgestellt.

Weitere Informationen gibt es unter www.mfund.de.

Quelle:
https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/radler-brauchen-licht-fledermaeuse-die-dunkelheit-ist-ein-adaptives-beleuchtungskonzept-fuer-fahrradwege-die-loesung.html

Reaktionen von Fledermäusen auf den Klimawandel: eine systematische Bewertung

Zu verstehen, wie Arten auf den Klimawandel reagieren, ist der Schlüssel für die Bewertung von Gefährdungen und die Entwicklung wirksamer Schutzstrategien, doch die Forschungsbemühungen zu den Reaktionen von Wildtieren auf den Klimawandel liefern aufgrund der damit verbundenen Verzerrungen keinen repräsentativen Überblick.

Fledermäuse sind eine artenreiche, weltweit verbreitete Gruppe von Tieren, von denen man annimmt, dass sie aufgrund ihres großen Oberflächen-Volumen-Verhältnisses und ihrer geringen Reproduktionsraten besonders empfindlich auf die Auswirkungen des Klimawandels reagieren. Wir haben die Literatur über die Reaktionen von Fledermäusen auf den Klimawandel systematisch ausgewertet, um einen Überblick über den aktuellen Wissensstand zu geben, Forschungslücken und Verzerrungen aufzuzeigen und den künftigen Forschungsbedarf hervorzuheben.

Wir stellten fest, dass die Studien geografisch auf Europa, Nordamerika und Australien sowie auf die gemäßigten und mediterranen Biome ausgerichtet sind, wodurch ein erheblicher Teil der Fledermausvielfalt und der thermischen Reaktionen nicht erfasst wird. Weniger als die Hälfte der veröffentlichten Studien liefern konkrete Beweise für die Reaktion von Fledermäusen auf den Klimawandel. Für mehr als ein Drittel der untersuchten Fledermausarten beruhen die Hinweise auf Reaktionen lediglich auf Modellen zur Vorhersage der Artenverteilung. Folglich betreffen die am häufigsten berichteten Reaktionen Arealverschiebungen (57 % der Arten) und Veränderungen in den Mustern der Artenvielfalt (26 %).

Fledermäuse zeigten eine Vielzahl von Reaktionen, darunter sowohl positive (z. B. Ausdehnung des Verbreitungsgebiets und Zunahme der Population) als auch negative (Verkleinerung des Verbreitungsgebiets und Abnahme der Population), wobei die Reaktionen auf extreme Ereignisse stets negativ oder neutral waren. Die räumlichen Reaktionen variierten in ihrem Ergebnis und zwischen den Familien, wobei fast alle taxonomischen Gruppen sowohl Ausdehnungen als auch Verringerungen des Verbreitungsgebiets aufwiesen, während die demografischen Reaktionen stark auf negative Ergebnisse ausgerichtet waren, insbesondere bei den Pteropodidae und Molos-sidae.

Die üblicherweise verwendeten korrelativen Modellierungsansätze können auf viele Arten angewandt werden, bieten jedoch keinen mechanistischen Einblick in verhaltensmäßige, physiologische, phänologische oder genetische Reaktionen. Es gab nur wenige experimentelle Studien (26 %), und nur ein kleiner Teil der 396 Fledermausarten, die in den untersuchten Studien behandelt wurden, wurde mit Hilfe von Langzeit- und/oder experimentellen Ansätzen untersucht (11 %), obwohl diese mehr Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels liefern. Wir betonen, dass mehr empirische Studien erforderlich sind, um die vielfältigen Reaktionen der Fledermäuse auf den Klimawandel zu entschlüsseln, und dass standardisierte Studiendesigns erforderlich sind, die eine Synthese und Metaanalyse der Literatur ermöglichen.

Schließlich betonen wir, wie wichtig es ist, geografische und taxonomische Unterschiede zu überwinden, indem die Forschungskapazitäten im globalen Süden gestärkt werden, um ein umfassenderes Bild der Reaktionen der terrestrischen Biodiversität auf den Klimawandel zu erhalten.

Quelle:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/brv.12893

Tod von Fledermäusen an Windkraftanlagen unterbricht natürliche Nahrungsketten

Der Tod von Fledermäusen an Windenergieanlagen (WEA) hat negative Auswirkungen auf die Populationen betroffener Arten und weitreichende Konsequenzen für die biologische Vielfalt (Biodiversität) im ländlichen Raum. Bisher konnten über weitergehende Folgen des Todes von Fledermäusen nur Vermutungen angestellt werden. Jetzt zeigte ein Team von Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Conservation Science and Practice“,  dass dadurch natürliche Nahrungsketten unterbrochen werden, was weitreichende negative Folgen für die Land- und Forstwirtschaft haben kann. Die Untersuchung demonstriert, in welchem Ausmaß bisher die herausragende funktionelle Bedeutung der Fledermäuse für unsere Lebensräume unterschätzt wurde.

Die Wissenschaftler:innen des Leibniz-IZW untersuchten das Beutespektrum von an WEA getöteten Großen Abendseglern, einer häufigen Fledermausart, die regelmäßig an WEA zu Tode kommt. Am Beispiel der vom Großen Abendsegler verzehrten Insekten dokumentierten sie, in welchem Ausmaß mit den getöteten Fledermäusen auch ihre funktionelle Bedeutung für ihre Lebensräume verloren geht.

Carolin Scholz und Christian Voigt – vom Leibniz-IZW – untersuchten, welche Insekten Große Abendsegler verzehrten, kurz bevor sie an den WEA zu Tode kamen. Hierfür analysierten sie den Mageninhalt von 17 an WEA getöteten Großen Abendseglern. Mit Hilfe ausgefeilter genetischer Methoden, inklusive der Hochdurchsatzsequenzierung, suchten sie nach den genetischen Barcodes der verzehrten Insekten. Diese genetischen Barcodes geben über die Identität der Arten Aufschluss. „Wir fanden DNA-Barcodes von 46 Insektenarten aus neun Ordnungen, die meisten davon Käfer und Nachtfalter“, sagt Scholz. „Die Insektenarten ließen sich einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume, von Ackerflächen über Grünland bis zu Wäldern und Feuchtgebieten, zuordnen.“ Zwanzig Prozent der identifizierten Insektenarten werden in der Land- und Forstwirtschaft als Schädlinge oder Lästlinge angesehen, beispielsweise der Esskastanienbohrer (Curculio elephas) oder der Eichenwickler (Cydia splendana). Das Wissenschaftsteam schließt daraus, dass der Verlust von Fledermäusen bestehende Nahrungsketten unterbricht und es somit zu einer höheren Anzahl von Schädlingen und Lästligen kommen könnte, was möglicherweise durch eine chemische Schädlingsbekämpfung kompensiert wird. Die kostenlose „Service-Leistung“ der Schädlingsreduzierung durch Fledermäuse wird durch die WEA beeinträchtigt, und ist somit für die Land- und Forstwirtschaft ein relevantes Thema.

Die Energieproduktion aus Windkraft trägt unbestritten zur Reduzierung der CO2– Emission bei. Der Flächenbedarf hierfür ist groß, die ökologischen Nebenwirkungen für betroffene Tiergruppen wie Fledermäuse und Insekten massiv. Jüngst wurde für Deutschland eine Verdoppelung der für die Windenergieproduktion genutzten Landfläche beschlossen.  Hiervon sind vor allem landwirtschaftliche Flächen und Forstmonokulturen betroffen. Diese Ökosysteme sind bereits durch eine reduzierte Artenvielfalt charakterisiert, da sie in der Vergangenheit mehrere Wellen der Intensivierung durchliefen, Flure bereinigt und Anbaumethoden zugunsten der Ertragserhöhung optimiert wurden. Die WEA, die im Rahmen der Energiewende aufgestellt werden, führen nun zu einer neuen Welle der Intensivierung.

„Bisher sind die Folgen dieser aktuellen Landnutzungsintensivierung für die Biodiversität und die Widerstandsfähigkeit dieser Lebensräume nicht bekannt. Das ist umso bedauerlicher, da diese Transformation gerade im großen Stil in unseren Landschaften durchgeführt wird“, berichtet Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie. “Auf welche Weise sich die Energiewende auf die biologische Vielfalt in den betroffenen Lebensräumen auswirkt, müssen wir noch erheblich genauer verstehen. Dabei steht es außer Frage, dass die aufgestellten WEA zum Schutz des globalen Klimas und hierüber auch zum Erhalt der Biodiversität beitragen.“ Bekannt ist aber auch, dass an WEA eine große Zahl an Fledermäusen verstirbt. „Der Verlust dieser Schlagopfer ist für die Populationen oftmals schwierig abzufangen, da die betroffenen Arten geringe Reproduktionsraten haben. Es verschwinden jedoch nicht nur Individuen aus der Landschaft, sondern potenziell gehen auch ihre Interaktionen in komplexen Nahrungsnetzen verloren“ sagt Scholz, Erstautorin des Artikels.

Zählungen haben ergeben, dass pro Jahr mehr als zehn Fledermäuse an jeder konventionell betriebenen WEA zu Tode kommen. Das summiert sich bei 30.000 WEA auf dem Festland in Deutschland zu erheblichen sechsstelligen Schlagopferzahlen. Neuere Anlagen werden mittlerweile in Zeiten hoher Fledermausaktivität zeitweise abgeschaltet, um die Fledermäuse davor zu bewahren, mit den Rotorblättern zu kollidieren. Dies kann die Schlagopferzahl auf ein bis zwei Individuen pro Jahr und WEA reduzieren. Tragischerweise werden allerdings alte WEA nach wie vor ohne derartige Abschaltregeln betrieben. Dies sind immerhin 75 % aller WEA in Deutschland. „Wir müssen damit rechnen, dass pro Jahr mehr als 200.000 Fledermäuse an WEA versterben“, sagt Voigt. „Wenn weiterhin diese hohe Zahl an Schlagopfern an WEA geduldet wird, werden immer weniger Schadinsekten durch Fledermäuse verzehrt“, schlussfolgert Voigt. Fledermäuse spielen als Jäger eine wichtige Rolle bei der natürlichen Regulierung von Insektenbeständen. Der Verlust von Fledermäusen und ihres Einflusses auf Nahrungsketten lässt Ökosysteme anfälliger gegenüber Störungen werden, so mutmaßen Voigt und Scholz. Um die Zusammenhänge genauer zu verstehen, bedarf es noch weiterer, tiefergehender Forschungsarbeiten. Ein erster wichtiger Schritt zum Erhalt der Fledermäuse und ihrer funktionellen Rolle in ihren Lebensräumen wäre eine verpflichtende Abschaltung der WEA in Zeiten hoher Fledermausaktivität, fordern Voigt und Scholz. Hierfür muss die Genehmigungspraxis alter WEA überdacht werden. Nur dadurch lassen sich die negativen Folgen der Landnutzungsintensivierung durch die Energiewende auf unsere Ökosysteme auf ein Minimum beschränken.

Publikation:
Scholz C, Voigt CC (2022): Diet analysis of bats killed at wind turbines suggest large scale losses of trophic interactions. Conservation Science and Practice, 2022 e12744. DOI: 10.1111/csp2.12744

F+E Vorhaben: Auswirkungen des Insektenrückgangs auf Fledermäuse

Am Beispiel der vom Aussterben bedrohten Fledermausart Graues Langohr wird der Insektenrückgang und seine Wirkung auf Fledermäuse thematisiert und für die Naturschutzpraxis praxisorientiert dargestellt.

Hintergrund

Die insektenfressenden Fledermäuse sind Endglieder der Nahrungskette und auf eine ausreichende Dichte an Beutetieren angewiesen. Nur so können sie in den wenigen Sommermonaten genug Nahrung für sich und die Jungen finden und vor dem Winterschlaf ausreichend Depotfett speichern, um erfolgreich zu überwintern. Durch den Rückgang der Insekten in der Landschaft ist zu erwarten, dass sich die reduzierte Beutetierdichte ungünstig auf Fledermausvorkommen auswirkt. Untersucht werden soll dies am Beispiel des Grauen Langohrs (Plecotus austriacus), einer Fledermausart, die eng an die offene Kulturlandschaft gebunden ist.

Das Projekt

Am Beispiel der vom Aussterben bedrohten Fledermausart Graues Langohr soll untersucht werden, wie sich der Insektenrückgang in der offenen Kulturlandschaft auf Fledermäuse auswirkt. Auf Grundlage der Ergebnisse sollen Schutzmaßnahmen empfohlen werden, durch deren Umsetzung in der Landschaft die Situation verbessert werden kann. Untersucht wird in drei Schwerpunktgebieten von Wochenstubenkolonien in Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg.

Die Projektumsetzung erfolgt über vier Arbeitspakete:

  • Ermittlung der Gesamtverbreitung in Deutschland und Einrichtung eines (wiederkehrenden) Expertenworkshops.
  • Durchführung von Telemetriestudien in drei Wochenstubenkolonien zur Ermittlung von relevanten Kernjagdgebieten und deren Abhängigkeit von der Landschaftsausstattung.
  • Ermittlung des Beutetierspektrums mittels manueller und DNA-Barcoding – Analysen von Kotpellets über die gesamte Saison hinweg.
  • Berechnung des Mindestnahrungsbedarfs des Grauen Langohrs.

Im Ergebnis sollen in einem Leitfaden die Situation des Grauen Langohrs in Deutschland zusammengestellt und analysiert sowie Empfehlungen für Schutzmaßnahmen für die Art und für deren Umsetzung formuliert werden.

Weitere Informationen:
https://www.bfn.de/projektsteckbriefe/auswirkungen-des-insektenrueckgangs-auf-fledermaeuse

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